Als mein Mann Christoph und ich am vergangenen Sonnabend die Elmshorner Nachrichten lasen, trauten wir unseren Augen kaum. Da wurde in einem Artikel über Konflikte zwischen Auto- und Rennradfahrern im Kreis Pinneberg der stellvertretende Bürgermeister von Haselau, Gunter Küchler, mit den Worten zititiert: „Bei meinem nächsten Auto lasse ich mir zwei Behälter fürs Scheibenwischen einbauen. Einen auf der rechten Seite, mit Jauche fürs Überholen.“
Wir waren entsetzt über diese verbale Entgleisung, und zwar aus mehreren Gründen. Zum einen, weil wir selbst Rennrad fahren und das lebende Beispiel dafür sind, dass Rennradfahrer nicht per se aggressiv sind und andere Verkehrsteilnehmer gefährden – genau das aber suggerieren die Äußerungen von Gunter Küchler. Wir trainieren im Sommer für den einen oder anderen Triathlon in der Region und nutzen für das Radtraining natürlich auch die Straßen im Kreis Pinneberg. Ich werde beim Training häufig angehupt oder aus dem heruntergelassenen Fenster heraus mit fuchtelnden Händen beschimpft: „Auf den Radweg mit dir!“ Auch ich bin schon mit Wischwasser attackiert worden. Das machen übrigens am liebsten diejenigen Autofahrer, für die meine Anwesenheit auf der Straße just in dem Moment überhaupt kein Hindernis darstellt, weil gerade gar kein Gegenverkehr kommt und sie mich völlig problemlos mit ausreichend Sicherheitsabstand überholen können. Innerorts in einer Tempo-30-Zone gibt es aus meiner Sicht für einen Autofahrer auch gar keine Veranlassung, einen Rennradfahrer zu überholen, der mit nahezu 30 km/h auf der Straße unterwegs ist.
![FullSizeRender[2].jpg](https://elmshornblog.files.wordpress.com/2016/06/fullsizerender2.jpg?w=820)
Auch wenn es nicht jedem passt: Zum Triathlon gehört auch Radfahren. Und das wird auf der Straße trainiert.
Unzumutbare Radwege müssen nicht benutzt werden
Was wir da tun, ist übrigens auch keine eigenmächtige Auslegung der Straßenverkehrsordnung (StVO), sondern absolut rechtmäßig. Denn in der StVO kann man nachlesen, dass längst nicht alle Radwege benutzungspflichtig sind. Was die StVO genau dazu sagt, kann man hier in einem Beitrag des ADFC nachlesen. Ganz vereinfacht gesagt gilt im Endeffekt: Wenn der Radweg unzumutbar schlecht ist, muss er auch nicht benutzt werden. Als unzumutbar schlecht gilt ein Radweg zum Beispiel, wenn er viele Schlaglöcher oder große Unebenheiten infolge von Wurzeln aufweist. Oder wenn er urplötzlich ohne Vorwarnung ins Nirvana mündet oder an einem Baum endet. Jeder, der schon einmal etwas sportlicher (also mit mehr als 10 km/h…) auf einem Fahrrad unterwegs war (es muss gar nicht unbedingt ein Rennrad sein, doch auf einem ungefederten Rennrad spürt man dergleichen natürlich noch stärker), der wird mir bestätigen, dass die meisten Radwege hier in der Gegend schlicht nicht zumutbar sind – es sei denn, man hält fortwährende Prellungen am Schambein und gelegentliche Stürze für ein akzepables Risiko.
Ein Bürgermeister sollte Lösungen suchen und nicht Selbstjustiz propagieren!
Und dann lese ich also in der Zeitung, dass der stellvertretende Bürgermeister von Haselau (ja, der Gunter Küchler, der Rennradfahrer gern mit Jauche aus dem Wischwassertank bespritzen möchte) in einem Gastkommentar meint, „diese Radfahrer müssen erst lernen, wie man sich in einer zivilisierten Gesellschaft verhält“. Ich glaube, es hackt! Mal davon abgesehen, dass es eine böswillige Unterstellung ist, alle Rennradfahrer über einen Kamm zu scheren und ihnen per se rüpelhaftes Verhalten zu attestieren – sollte ein Bürgermeister (auch sein Stellvertreter) nicht die Interessen aller Bürger vertreten und bei Konflikten auf Ausgleich bedacht sein? Nach Lösungen suchen? Anstatt genervten und ohnehin schon latent aggressiven Autofahrern auch noch dumme Ideen zur (übrigens sehr unzivilisierten) Selbstjustiz zu liefern?
Was sagt eigentlich die Polizei zu diesen verbalen Entgleisungen?
Ich für meinen Teil hatte beim Rennradfahren bislang nur Probleme mit ungeduldigen und genervten Autofahrern, die automatisch gleich die Hasskappe aufsetzen, sobald sie nur ein Fahrzeug einer anderen Gattung vor sich sehen (dazu zählen auch Traktoren, Fahrzeuge mit Anhänger etc., doch die sind im Zweifel ja mindestens ebenso stark, an denen lässt man sich also nicht aus). Mit Fußgängern hatte ich noch nie Konflikte. Wenn ich mich bei meinen Ausfahrten in der Marsch oder am Deich von hinten nähere und es ein wenig eng zu werden droht, dann rufe ich ihnen zu: „Könnten Sie bitte Platz machen?“ Das tun sie dann auch gern, und im Vorbeifahren bedanke ich mich mit einem Lächeln, das in der Regel auch erwidert wird. Es kostet beide Seiten nicht besonders viel Mühe, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Klar gibt es auch unter den Rennradfahrern Idioten. Doch mit pauschalen Anfeindungen kommen wir nicht weiter. Und auch nicht mit Aufrufen zur Selbstjustiz, wie sie der Bürgermeistervize aus Haselau verbreitet. Ich werde mich übrigens einmal bei der Polizei erkundigen, wie sie derartige Äußerungen einschätzt. Und sie bitten, in Haselau ein besonderes Auge auf Rennradfahrer zu haben. Denn die fühlen sich dort nach dem EN-Artikel von Sonnabend garantiert nicht mehr besonders sicher.

Mit Fußgängern oder Schafen habe ich beim Rennradfahren keinen Stress. Nur mit Autofahrern.
Pingback: Rennradfahrer vs. Fußgänger vs. Autofahrer, die Geschichte geht weiter… | Elmshorn für Anfänger
17. Juni 2016 um 9:21
Hallo Antje,
danke für deinen blog und diesen eintrag. Ich teile deine ansicht voll und ganz. Auch ich ärgere mich über manchen autofahrer. Gleichzeitig möchte ich aber betonen, dass sich die meisten autofahrerInnen rücksichtsvoll verhalten.
Genauso wie ich verständnis von allen kfz-fahrern wünsche, möchte ich als rennradfahrer ebenfalls aufmerksam sein und zur de-eskalation beitragen.
(Und das fällt mir nicht in jeder verkehrssituation leicht).
Ich möchte dahingucken, wo ich selbst etwas besser machen kann und bitte meine renn-peers
zu überlegen, ob sie gleiches tun wollen.
Konkrete Beispiele:
Wir fahren maximal zu zweit nebeneinander und eng hintereinander, damit wir einfacher überholt werden können.
Wir binden Schwächere gut mit ein z.B. beim windschattenfahren – auch wenn unser durchschnitt sinkt, um eine homogene gruppe während des gesamten trainings zu bleiben.
Wir vereinbaren im team, in wohnstrassen, in engen dorfstrassen am deich mit potentiell spielenden kindern etc. von vornherein den speed rauszunehmen. Hinterher geben wir wieder alle gas- intervalltraining hat übrigens sehr positive aspekte und wirkt sich leistungssteigernd aus. Ein lächeln bei gemässigter fahrt den anwohnern gegenüber wird ebenfalls seine positive wirkung zeigen.
ReiterInnen nähern wir uns, insbesondere von hinten, mit grossem abstand bei reduzierter geschwindigkeit und mit einen fröhlichen hallo. So können pferd und reiter sich auf die bunten merkwürdigen gestalten gut einstellen.
Wer weitere ideen für eine rüchsichtnahme unsereseits hat, ich wurde sie gerne hören.
Und jetzt, rauf auf’s rad und fröhliche kilometer machen (und beim stadtradeln elmshorn für das team Rückenwind eintragen).
Mit sportlichem Gruss,
Thorsten Rodtgardt
Elmshorn
LikeLike
17. Juni 2016 um 12:04
Hallo Thorsten, danke für deinen schönen Kommentar und die Vorschläge, wie man auch als Rennradfahrer zum „Frieden auf der Straße“ beitragen kann! Da hast du meine absolute Unterstützung! In der Tag ist ein Lächeln ja meist ein ebenso einfacher wie wirkungsvoller Türöffner… Liebe Grüße, Antje
LikeLike
Pingback: Immer auf der Suche nach dem besten Kompromiss? | Elmshorn für Anfänger
24. August 2016 um 11:11
So wie ich dein Artikel her gelesen habe, gehörst du aber eben sehr wohl zu den sinnbefreiten, mutwilligen Verkehrshindernissen.
Warum suchst du dir nicht einfach ein Hobby, wo du die arbeitende Bevölkerung nicht ständig terrorisierst?
LikeLike
24. August 2016 um 12:05
Im Gegensatz zu dir bin ich nicht auf Streit aus. Ich fahre Rad da, wo es zulässig ist. Die Straße gehört vielerorts dazu, das müssen auch Autofahrer akzeptieren. Es ist nicht zuviel erwartet, dass alle Verkehrsteilnehmer respektvoll miteinander umgehen. Im übrigen gehöre ich durchaus auch zur arbeitenden Bevölkerung. 🙂
LikeLike
Pingback: Fahrradklimatest in Elmshorn: Da ist noch viel Luft nach oben! | Elmshorn für Anfänger