Elmshorn für Anfänger

Geschichten von einer, die auszog, im Hamburger Speckgürtel zu leben. Eine pragmatische Liebeserklärung.

Rennradfahrer vs. Fußgänger vs. Autofahrer, die Geschichte geht weiter…

7 Kommentare

Wow, das Thema Rennradfahrer im Kreis Pinneberg hat ja ganz schöne Wellen geschlagen. Heute widmeten die Elmshorner Nachrichten (EN) den Reaktionen auf ihren Artikel von Sonnabend eine ganze Seite. Darin wurde ich mit Aussagen aus meinem Blogbeitrag mehrfach zitiert, und auch ein Leserbrief meines Mannes (mit dem ich bei dieser Diskussion einer Meinung bin) wurde abgedruckt.

Ich freue mich, dass die EN das Thema noch einmal aufgegriffen hat – und dass Christoph und ich nicht allein sind mit unserem Entsetzen über Äußerungen wie „Bei meinem nächsten Auto lasse ich mir zwei Behälter fürs Scheibenwischen einbauen. Einen auf der rechten Seite, mit Jauche fürs Überholen“, „Ohne Klingel brüllen sie [die Rennradfahrer] andere Passanten gnadenlos an. Ein asoziales Verhalten“ oder „Diese Radfahrer müssen erst lernen, wie man sich in einer zivilisierten Gesellschaft verhält“. Ein anderer Leserbriefschreiber etwa fand: „Als stellvertretender Bürgermeister einer Gemeinde und ‚Aggro-Autofahrer‘ lauthals zu sagen, dass man sich einen Jauchekanister im Auto einbauen möchte, um die Radfahrer damit zu bespritzen und somit rechtswidrig handelt. Unglaublich und skandalös sind die Ansichten und Äußerungen dieses Herrn.“ Es gab noch etliche weitere Zuschriften mit ähnlichem Tenor. Wie beruhigend.

Nicht geeignet, für mehr rücksichtsvolles Miteinander zu sorgen

Ich hatte mich gestern ebenfalls weiter mit dem Thema beschäftigt. Wie angekündigt, erkundigte ich mich per E-Mail bei der Polizei des Landes Schleswig-Holstein, wie sie die Äußerungen des stellvertretenden Bürgermeisters von Haselau, Gunter Küchler, bewertet. Dort reagierte man prompt: Maximal eine Stunde, nachdem ich „Abschicken“ geklickt hatte, klingelte mein Telefon. Ein Mitarbeiter der Landespolizei erklärte mir, dass er persönlich meinen Ärger gut nachvollziehen kann und die im EN-Artikel zitierten Äußerungen von Haselaus stellvertretendem Bürgermeister ebenfalls für absolut kontraproduktiv hält. „Das ist überhaupt nicht geeignet, für mehr rücksichtsvolles Miteinander zu sorgen“, fand er. Wie gegenseitige Rücksichtnahme gehen kann, habe ich in meinem Blogbeitrag ja beschrieben. Eine offizielle polizeiliche Stellungnahme könne er mir allerdings nicht geben, so etwas falle nicht in den Zuständigkeitsbereich der Landespolizei. Er empfahl mir, mich direkt an das Amt Haselau zu wenden.

Was ich auch tat. Ich schrieb an info@amt-haseldorf.de:

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Entsetzen habe ich am Sonnabend in den Elmshorner Nachrichten gelesen, was Ihr stellvertretender Bürgermeister so alles zum Thema Rennradfahrer im Kreis Pinneberg von sich gegeben hat. Ich finde seine Aussagen vollkommen inakzeptabel und habe auf meinem Blog darüber geschrieben. https://elmshornblog.wordpress.com/2016/06/13/aggresive-stimmungsmache-gegen-rennradfahrer/

Ich möchte Sie hiermit um eine Stellungnahme bitten, wie ein solch polarisierendes Auftreten, verbunden quasi mit dem Aufruf zur Selbstjustiz gegen Rennradfahrer, mit dem Amt des stellvertretenden Bürgermeisters vereinbaren lässt. Herzlichen Dank im Voraus!

Mit freundlichen Grüßen
Antje Thiel

Antje Thiel, Freie Journalistin und Autorin
Dachsweg 5, 25335 Elmshorn
Tel.: 04121 2763634
Fax: 04121 2764948
Mobil: 0179 2050813
info@antje-thiel.de
http://www.antje-thiel.de

Heute nun traf eine Antwort von Herrn Küchler ein, der vor Ort nicht nur stellvertretender Bürgermeister, sondern auch stellvertretender Amtsvorsteher sowie – jetzt bitte festhalten – Schiedsmann der Gemeinde Haselau ist. Die E-Mail ging in Kopie an einen Herrn Brötzmann von der Stadt Uetersen, den ich – neugierig wie ich nun einmal bin – mit einer schnellen Google-Recherche auf der Telefonliste der Stadt Uetersen als Personalrat wiederfand. Erst irritierte mich es ein wenig, dass Gunter Küchler von sich selbst in der dritten Person schreibt, doch das ist sicher reine Formsache und hat seine Gründe. Es geht ja um die Inhalte:

Sehr geehrte Frau Thiel,

als stellv. Amtsvorsteher des Amtes Haseldorf möchte ich kurz eine Stellungnahme zu der angeblich verbalen Entgleisung des stellv. Bürgermeisters der Gemeinde Haselau zum Thema Radrennfahrer abgeben.
Herr Küchler hat mit seiner scherzhaft gemeinten Aussage nur deutlich auf die Stimmung zwischen den Radrennfahrern und den Bürgern der Gemeinde Haselau hinweisen wollen. Dass dieses natürlich von der Rennradfahrerseite als „Angriff“ gewertet wird, ist verständlich, da man sich in Rennradfahrerkreisen natürlich keinem Fehlverhalten bewusst ist.
Herrn Küchler war klar, dass seine Aussage Protest hervorrufen würde. Er möchte aber auch darauf hinweisen, dass das Verhalten einiger Rennradfahrer bei den ordentlichen Rennradfahrern dazu führen könnte, dass diese ihren Einfluss geltend machen und auf eine Änderung deren Verhaltens hinwirken.
Außerdem möchte ich klarstellen, dass Herr Küchler in keinster Weise zur Selbstjustiz aufgerufen hat, das interpretieren Sie, was Ihnen keiner verbieten kann.
Abschließend möchte ich festhalten, dass Herr Küchler seine persönliche Meinung sagen darf, ein stellv. Bürgermeister hat dazu auch sein Recht.

Mit freundlichen Grüßen

Gunter Küchler
1. stellv. Amtsvorsteher Amt Haseldorf

Wie bitteschön soll ich „meinen Einfluss geltend machen“ auf andere Radfahrer?

Soso, es gibt also tatsächlich auch „ordentliche Rennradfahrer“. Das ist ja schon einmal ein klitzekleiner Schritt nach vorn. Möglicherweise bin sogar ich damit gemeint, da ich mein Verhalten im Straßenverkehr ja als relativ untadelig beschrieben habe. Mir ist allerdings schleierhaft, wie ich „meinen Einfluss geltend machen“ soll, damit Rüpel-Rennradfahrer ihr Verhalten ändern. Wie soll ich das nur anstellen? Wir Rennradfahrer sind keine große Familie, die sich täglich zum gemeinsamen Abendessen an einem großen Tisch versammelt und in der dann im Familienrat jeder sagen darf, was er gut und was er schlecht findet. Und wo dann darüber abgestimmt wird, wer zur Strafe in der Ecke stehen oder erstmal die StVO auswendig lernen muss. Ich bin in keinem Verein organisiert, ich fahre einfach gelegentlich allein oder gemeinsam mit meinem Mann Rennrad. Mal in Vorbereitung auf einen Triathlon, mal aus purer Lust an der Freud. Ich fühle mich durch Herrn Küchlers pauschale Unterstellung immer noch diffamiert und beleidigt. Natürlich weiß ich, dass es rüpelhafte und uneinsichtige Rennradfahrer gibt. Doch das macht nicht alle Rennradfahrer zu asozialen und unzivilisierten Wesen, wie Herr Küchler sie gegenüber der Zeitung beschreibt.

Öl ins Feuer zu gießen zeugt weder von politischer Klugheit noch von Sozialkompetenz

Natürlich darf Herr Küchler auch als stellvertretender Bürgermeister seine persönliche Meinung haben und auch sagen. Als Politiker sollte man da aber vielleicht ab und an ein bisschen genauer differenzieren. In der Zeitung wurde er nun einmal als stellvertretender Bürgermeister befragt und zitiert, nicht als Privatmann. Und als stellvertretender Bürgermeister sollter er in meinen Augen versuchen, zwischen konträren Positionen zu vermitteln. Nach Kompromissen zu suchen. Meinetwegen einen runden Tisch ins Leben zu rufen. Was auch immer sich da für politische Mittel anbieten, um Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, die einander nicht grün sind. Einseitig zu polemisieren, Öl ins Feuer zu gießen und damit eine Debatte noch weiter aufzuheizen zeugt hingegen weder von politischer Klugheit noch von ausgeprägter Sozialkompetenz.

Ach ja, übrigens findet man auf der Internetseite des Amtes Haselau auch einen Tipp für eine Radtour durch die Haseldorfer Marsch, die man sich zum Mitnehmen auch als Flyer herunterladen kann. Die Länge der Radtour ist mit 19 km angegeben, die Dauer mit 2 Stunden. Mit dem Rennrad schafft man das natürlich schneller – aber man sollte vielleicht tatsächlich nicht zu schnell durch die Gegend pesen, denn die Ecke ist wirklich malerisch. 🙂

 

7 Kommentare zu “Rennradfahrer vs. Fußgänger vs. Autofahrer, die Geschichte geht weiter…

  1. Servus Antje,

    vielen Dank für Deinen Bericht und das Nachfassen, immerhin etwas Positives von der Polizei.
    Die Hoffung des Herrn Küchler mit so polarisierenden, zum Teil falschen Aussagen und pauschalen Vorurteilen zum Nachdenken anzuregen finde ich sehr sportlich. Da frage ich mich doch, was er so in seinem weiteren Amt als Schiedsmann (http://gemeinde-haseldorf.de/informationen/schiedsamt/index.html ) der Gemeinde treibt.
    Hier in München und im Umland finde ich die Stimmung allgemein entspannter als in meiner alten Heimat Hamburg, obwohl es hier natürlich auch Einzelfälle/Ausnahmen gibt.
    Ich wünsche Dir noch viele unfallfreie und entspannte Radel-Kilometer.

    Viele Grüße aus Bayern
    Felix

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  2. Moin Felix, vielen Dank für deinen Kommentar und den Hinweis auf das Schiedsamt von Herrn Küchler. Das habe ich doch glatt noch in meinem Blogbeitrag ergänzt. Wirklich traurig, wie sich jemand aufführt, der auch noch offiziell als Mittler fungieren soll… 😦 Liebe Grüße nach Bayern, Antje

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  3. Hi Antje, danke für Dein Bemühen. Habe heute auch eine Mail an das Amt sowie SHZ und ADFC geschrieben. Diese Aussage ist unakzeptabel und auch die Antwort auf Deine Beschwerde von diesem Amt ist genau so unakzeptabel. So eine Frechheit darf man sich nicht gefallen lassen. Ich habe eine öffentliche Entschuldigung gefordert und bin gespannt, mit welchen Textbausteinen ich abgefertigt werde.

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    • Moin Bernd, klasse. Mal schauen, ob eine Beschwerdeflut in irgendeiner Form zum Umdenken anregt. Auf jeden Fall ist es gut, wenn viele Leute zeigen, dass so eine Art des Diskurses nicht hinnehmbar ist. Halt mich gern auf dem Laufenden, wenn du was hörst!

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  4. Hallo Antje,
    erst einmal vielen Dank für deine öffentliche Arbeit. Nachdem im letzten Jahr es etwas ruhiger war, hatte ich schon die Hoffnung, dass sie (in Haselau) vernünftiger würden. Aber so kann man sich irren.
    Beruhigend ist, dass sich das Amt Haseldorf in Zukunft auflösen wird und er eine (unbedeutende) Funktion weniger hat.
    Ich bin aber nicht unbedingt deiner Meinung, dass die Rennradfahrer „keine große Familie“ sind. Wenn wir ehrlich sind kennen wir uns fast alle untereinander, wenn wir in der Marsch unterwegs sind. Ok, es sind mal größere Gruppen wie wir manchmal, mal sind es kleinere oder Alleinfahrer wie die Triathleten. Aber ich habe noch mit jemandem Streit gehabt.
    Daher arbeiten wir weiter an dem Thema.

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