Der Countdown läuft, ab nächste Woche müssen wir alle in Schleswig-Holstein Behelfsmasken tragen, wenn wir Bus und Bahn fahren oder Geschäfte betreten wollen. Ich trage meine selbstgenähten Masken bislang freiwillig, fühle mich damit aber maximal mittelmäßig wohl. Bei der Vorstellung, dass das Tragen von Masken voraussichtlich auf absehbare Zeit Pflicht sein wird, bekomme ich sogar richtig schlechte Laune.
Denn die Wahrheit ist: Ich habe keinen Bock mehr auf Corona. Die Omnipräsenz des Virus nervt. Ich möchte auch mal wieder über andere Themen in der Zeitung lesen. Mich auf meinen nächsten Urlaub freuen anstatt der Erstattung von Geld für ausgefallene Reisen hinterherlaufen. Möchte mich ungehindert und ohne Angst draußen bewegen können, ohne immer gleich in einen Zickzack-Kurs zu verfallen, wenn mir Menschen entgegenkommen. Doch es ist ja noch nicht einmal Halbzeit, wenn ich die aktuelle Lage richtig deute.
Wir sind das Leben im Krisenmodus nicht gewohnt
Noch immer befinden wir uns am Beginn der Pandemie und keineswegs in ihren letzten Zügen. Corona wird uns noch sehr lange beschäftigen, und das ist für mich immer noch nur sehr schwer vorstellbar: Dass eine Krise, die mit hohen Gesundheitsrisiken und enormen Einschränkungen des öffentlichen Lebens einhergeht, nicht nach ein paar Wochen abgehakt werden kann, wie all die anderen großen Themen, die jeweils nur für kurze Zeit die Nachrichtenlage beherrschen und dann wieder in der Versenkung verschwinden – zumindest für uns, die wir Krisen nicht gewohnt sind. Was mich zu der Frage bringt, wie sich wohl Menschen fühlen, die jahrelang mit Ausnahmezustand zurecht kommen müssen, etwa weil sie in einem Kriegsgebiet leben? Wo jeder Schritt vor die Tür potenziell gefährlich ist, wo man nie sicher sein kann, dass morgen dieselben Gesetze gelten wie heute, wo man permanent um das Leben von Angehörigen und Freunden fürchten muss, wo Nachrichten über viele Jahre hinweg im Wesentlichen Kriegsberichten sind?
Im Zuge meiner Arbeit für das Willkommensteam hatte ich vor ein paar Jahren einmal einen Einsatz als Dolmetscherin, an den ich mich deshalb gerade jetzt wieder erinnere: Ein deutsches Ehepaar, das zwei Frauen aus Afghanistan beim Ankommen in Deutschland begleitete, bat mich zu einem Treffen, weil sie sich einmal ein bisschen ausführlicher als nur mit Händen und Füßen mit ihren beiden Schützlingen unterhalten wollten. Wie sie die Situation in Afghanistan erlebt hatten, was dort ihre größten Sorgen waren und dergleichen mehr, lässt sich mit einer Dolmetscherin einfach leichter erzählen als mit ein paar ersten Brocken Deutsch und Google Translator.
Menschen in Afghanistan kennen nur Leben im Krisenmodus
Und so übersetzte ich vom Persischen ins Deutsche, was die beiden Frauen mir unter Tränen berichteten. Beide – nicht nur die Junge, sondern auch ihre etwa 55 Jahre alte Mutter – erzählten, dass sie im Grunde ihr ganzes Leben im Krieg verbracht hatten. Seit über 40 Jahren gab es in Afghanistan praktisch durchgängig bewaffnete Konflikte: Staatsstreich mit anschließendem Volksaufstand in 1978 über die sowjetische Intervention von 1979 bis 1989, nach Abzug der sowjetischen Truppen den Bürgerkrieg von 1989 bis 2001 (in dessen Verlauf die Taliban erstarkten) bis hin zur anschließenden (als Reaktion auf die Anschläge auf das World Trade Center in New York gestartete) Intervention durch die USA. Es gab einfach seit mindestens zwei Generationen keinen Frieden in Afghanistan – immer nur Krieg unter wechselnden Machthabern, die neue Regeln aufstellten, neue bewaffnete Konflikte anzettelten und dabei immer das Volk drangsalierten. Nachdem die beiden afghanischen Frauen ihre Geschichte erzählt hatten, hatten wir alle Tränen in den Augen. Wenn ich an solche Dinge denke, schäme ich mich dafür, dass ich als verwöhnte Wohlstandsgöre schon jetzt mit der Pandemie hadere.
Die Maskenpflicht wird keine neue Abenteuerlust bei mir wecken
Ich muss gestehen, dass ich es anfangs sogar ein bisschen spannend fand, dieses Leben im Ausnahmezustand. Ein Hauch von Abenteuer, mal was anderes, eine historische Krise, von der wir einmal unseren Enkeln werden erzählen können. Doch dieser Reiz ist für mich definitiv verflogen. Wir Deutschen sind es nach Jahrzehnten in Frieden, Freiheit und Wohlstand nicht gewohnt, dass ein Thema derart penetrant unseren Alltag beherrscht und in unser ganz persönliches Leben eingreift. Und ich fürchte, dass das nächste Pandemie-Level – die Maskenpflicht ab nächster Woche – bei mir keine neue Abenteuerlust mehr wecken wird. Dafür finde ich so eine Maske viel zu unbequem. Die Maske stört beim freien Atmen, meine Brille beschlägt ständig, das Gummiband ist entweder zu lose oder zu fest, der Stoff drückt auf meiner Nase, die Maske verrutscht und muss mit den Fingern (obwohl ich ja nicht ins Gesicht fassen soll) zurechtgezuppelt werden. Es macht einfach keinen Spaß.
Selbstgenähte Maske – the next level
Um zumindest den Komfort zu verbessern, habe ich mir nun noch einmal eine weitere Nähanleitung heruntergeladen, und zwar die von Modedesigner Guido Maria Kretschmer. Dieses Modell hat den Vorteil, dass der Schnitt die Ausbuchtung der Nase besser berücksichtigt und sich deshalb besser an das Gesicht anschmiegt als die gefalteten Modelle nach Art einer OP-Maske. Ich habe nun ein Exemplar davon genäht (siehe das Foto oben vom ersten Produktionsschritt) und anprobiert. Mir scheint, dass es sich tatsächlich etwas angenehmer trägt und die Brille nicht ganz so schnell beschlagen lässt. Weil man ja täglich eine frische Maske tragen soll, brauchen wir welche zum Wechseln – und so werde ich dieses Wochenende also wieder ein paar Stunden an der Nähmaschine verbringen. Irgendwann gegen Ende der Pandemie werde ich dann nach diversen Nähexperimenten wissen, was die ultimative Maske ausmacht. Und wenn ich mal sterbe und meine Nachkommen den Haushalt auflösen, werden sie Unmengen verschiedene Masken in den Schubladen finden und sich wundern, was in aller Welt mich schrullige Alte damals wohl geritten hat, sich so viele seltsame Gesichtsbedeckungen zu nähen.
Kenne ich den Typen? Nee, nie gesehen… oder doch?
Immerhin gibt es auch eine lustige Anekdote zum Thema Masken zu erzählen: Gestern hatten wir keine Lust zu kochen und haben uns beim Broderick Burger zum Abholen bestellt. Ich war ein paar Minuten zu früh dort und wartete also – wohlgemerkt freiwillig maskiert – an der Ausgabetheke, bis unsere Burger fertig waren. Nach einer Weile gesellte sich ein weiterer Kunde dazu. Auch er trug eine Stoffmaske und hielt korrekt Abstand. Wir nickten einander freundlich zu: „Ja, alles richtig gemacht, danke!“ schienen unsere Blicke zu sagen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich dem Mann schon einmal begegnet wäre. Seine Burger waren ein paar Minuten früher fertig als meine. Die Kellnerin fragte ihn, auf welchen Vornamen er die Bestellung aufgegeben hatte. „Norbert“, sagte er. Ich stutzte: Norbert? Hey, hallo! Mein Mann Christoph und ich sind mit ihm und seiner Frau befreundet – und doch hatten beide einander nicht erkannt, wie wir so maskiert dort vor dem Ausgabetresen des Broderick standen. 🙂 Merke: Mit einer Maske kann man in höchstem Maße inkognito bewegen!
Mein heutiger Tipp für die schnelle Corona-Küche
Doch nun habe ich euch genug mit dem Thema Masken zugetextet, es ist Zeit für ein schnelles und leckeres Corona-Rezept. Es ist ein absolutes Stehgreif-Essen, denn ich hatte noch einen Kopf Weißkohl in der Küche liegen, der endlich einmal verwertet werden musste. Ursprünglich hatte ich daraus Kimchi (so eine Art koreanisches Sauerkraut) selbermachen wollen. Doch irgendwie fehlten mir Muße und Muse für dieses Projekt – und so lag der Kohl herum und wurde mit den Wochen leider nicht ansehnlicher. Also stand gestern eine Weißkohl-Pfanne mit Hackfleisch und Tomate auf unserem Speiseplan. Weißkohl in Streifen schneiden und waschen, Rinderhack und Zwiebeln anbraten, Weißkohl dazugeben. Alles dünsten, bis der Weißkohl an Volumen verliert. Dann Knoblauch und eine Dose Pizzatomaten hinzufügen, die Sauce mit etwas Tomatenmark andicken. Mit Salz, Pfeffer, Kümmel und frischen Kräutern würzen. Lecker und schnell fertig! Beim nächsten Weißkohl mache ich dann aber wirklich mal Kimchi!
Aktuelle Zahlen aus Schleswig-Holstein
Es gibt weiterhin keine grafische Aufbereitung der in Schleswig-Holstein neu gemeldeten Infektionen, doch immerhin ist auf die tägliche Pressemitteilung der Landesregierung Verlass:
Gemeldete Fälle: 2530 Fälle wurden bislang seit Beginn der Epidemie insgesamt in Schleswig-Holstein dem RKI gemeldet (+ 34 im Vergleich zur Meldung am Vortag).
Genesene Personen: Die Anzahl inzwischen genesener Personen ist nicht meldepflichtig und daher nicht statistisch bei der Landesmeldestelle erfasst. Das Robert-Koch-Institut (RKI) nimmt jedoch auf Basis verschiedener Faktoren wie z.B. Krankheitsbeginn und Krankheitsdauer Schätzungen zur Anzahl genesener Personen vor. Demnach sind in Schleswig-Holstein derzeit seit Beginn der Epidemie 1900 Personen genesen.
Todesfälle: 84 Todesfälle sind im Zusammenhang mit der Viruserkrankung gemeldet (+ 2 Pinneberg, +1 Rendsburg-Eck., + 2 Stormarn) im Vergleich zur Meldung am Vortag). Enthalten ist ein Todesfall in Ägypten, der Schleswig-Holstein zugerechnet wird, da der Verstorbene Einwohner in Schleswig-Holstein war.
Die Daten des RKI – die einen zeitlichen Versatz zu Kreis- oder Landesdaten haben können – finden Sie auch hier: https://corona.rki.de Zum Aufrufen des „Dashboards“ wird ein aktueller Internet-Browser benötigt. Durch einen Klick auf das entsprechende Bundesland können die jeweiligen Daten aufgerufen werden.
Hospitalisierung in Schleswig-Holstein derzeit: 107 Personen befinden sich derzeit in klinischer Behandlung (-7 im Vergleich zur Meldung am Vortag).
Aufgrund einer technischen Anpassung im Meldesystem des RKI steht die Anzahl der Hospitalisierung seit Beginn der Epidemie sowie die grafische Übersicht der Landesmeldestelle, Institut für Infektionsmedizin an der CAU, zum Geschehen im Land derzeit nicht zur Verfügung. Basis für die Daten sind die Zahlen, die die Kreise und kreisfreien Städte auf dem offiziellen Meldeweg der Landesmeldestelle und dem RKI mitteilen. Da die Datenerfassung, Übermittlung sowie gegebenenfalls auch die derzeitige technische Anpassung Zeit benötigt, können Abweichungen von den vor Ort kommunizierten Fällen entstehen. Im Einzelfall kann es auch zu einer Reduzierung der gemeldeten Fälle kommen, z.B. wenn sich eine Meldung nicht bestätigt hat.
Fragen und Antworten finden Sie hier: https://schleswig-holstein.de/coronavirus und https://schleswig-holstein.de/coronavirus-faq
Zum Schluss wiederhole ich meine Bitte an euch: Nehmt die Corona-Pandemie ernst, haltet euch an die Anweisungen und Empfehlungen der Behörden und informiert euch auf seriösen Kanälen. Davon gibt es wirklich viele, denn im Zuge der Corona-Pandemie pflegen diverse Institutionen zum Teil aufwändige Dossiers. Außerdem haben sich eine Reihe von Fachverlagen dazu entschlossen, ihre Beiträge zum Coronavirus und Covid-19 frei zugänglich zu machen. Hier ein Überblick über einige lesenswerte Quellen:
Über politische Entscheidungen hier in Schleswig-Holstein rund um die Corona-Pandemie informiert man sich am besten auf der Seite der Landesregierung, die hier alle Infos zur Pandemie bündelt. Die entsprechenden Infos aus Hamburg findet man hier.
Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) pflegt mit Eurotopics einen Kanal, in dem themenbezogen internationale Pressestimmen gebündelt werden. Hier wurde auch ein Dossier zum Coronavirus eingerichtet.
Das Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlicht auf seiner Seite täglich aktualisierte Informationen zu Fallzahlen, Risikogebieten, Meldepflichten etc.
Das Willkommensteam für Flüchtlinge Elmshorn hat auf seiner Seite Kurzinfos über Corona sowie Hygienetipps in diversen Sprachen gesammelt (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Arabisch, Persisch/Dari, Tigrinya, Russisch, Bosnisch, Somali). Bitte leitet sie weiter an Menschen, die nicht gut Deutsch verstehen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) betreibt ein Corona-Dashboard in dem man tagesaktuell die internationalen Fallzahlen nachlesen kann. Auch für Deutschland gibt es ein Corona-Dashboard, das vom RKI betrieben wird und auch Geo-Informationsdaten zur Verbreitung von Corona in Deutschland auf Basis bis auf Landkreis-Ebene enthält.
Ganz besonders ans Herz legen möchte ich euch den NDR-Podcast mit Prof. Christian Drosten, Virologe an der Berliner Charité. Er ist einer der führenden Experten für Coronaviren und kommentiert wissenschaftlich fundiert sowie wohltuend sachlich die aktuelle Lage. Wir hören das inzwischen jeden Tag.
Wer an harten medizinischen Fakten interessiert ist, kann sich auch die Dossiers der Fachverlage ansehen. So bündelt die Thieme-Gruppe die im Unternehmen verfügbaren relevanten Inhalte auf einer Seite. Dazu gehören unter anderem fundierte Patienteninformationen inklusive Symptom-Checker, ein Online-Kurs zu COVID-19, relevante Inhalte aus Thieme Fachzeitschriften und Büchern sowie aktuelle Stellungnahmen verschiedener Fachgesellschaften. Ziemlich wissenschaftlich geht es bei der Elsevier-Gruppe zu, die ebenfalls ein umfangreiches Themenportal zu Corona und Covid-19 unterhält – für Forschende, klinisch Tätige sowie Patientinnen und Patienten. Auch Springer Medizin bündelt sämtliche Inhalte zum Thema Corona und Covid-19 in einem Themendossier mit wissenschaftlichen ebenso wie versorgungspolitischen Informationen.
24. April 2020 um 8:36
Hallo Antje!! Ich kann deinen Coronafrust nur zu gut verstehen denn es geht mir ähnlich. Auch ich werde dieses Wochenende wieder an der Nähmaschine sitzen um Masken zu nähen dabei würde ich lieber mit meiner Kamera mein nächstes Fotoprojekt starten. LG Andrea und bleibt beide gesund…
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25. April 2020 um 22:51
Dankeschön, bleib du auch gesund! Rausgehen und fotografieren ist ja zum Glück weiter möglich. Liebe Grüße
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