In knapp zwei Wochen dürfen wir Elmshornerinnen und Elmshorner einen neuen Bürgermeister wählen. Dieses Jahr ist die Wahl eindeutig spannender als beim letzten Mal, denn es werben gleich vier Kandidaten um unsere Gunst. Am Donnerstagabend habe ich mir bei der Vorstellungsrunde in der Nordakademie einen Eindruck von ihnen verschafft.
Vier Kandidaten – so viele gab es noch nie, wenn in Elmshorn ein Bürgermeister gewählt wurde. Um den Posten als Chef der Stadtverwaltung bewerben sich Amtsinhaber Volker Hatje (parteilos), Tafin Ahsbahs (Grüne), Thomas Philipp Reiter (FDP) und Jonas Stiefel (Die Partei). Den fünften Namen auf dem Wahlzettel (Uwe Graw, parteilos) dürft ihr getrost wieder vergessen: Der hat inzwischen das Handtuch geworfen, allerdings zu spät um die Kandidatur offiziell wieder zurückzunehmen, da die Briefwahl zum Zeitpunkt seiner Entscheidung bereits begonnen hatte.
Im Großen und Ganzen bin ich zufrieden mit unserem aktuellen Bürgermeister
Im Audimax der Nordakademie konnten die vier verbliebenen Kandidaten nun am Donnerstag einmal ausführlich erzählen, welche Ziele sie als Bürgermeister von Elmshorn verfolgen und wie sie ihr Amt verstehen würden. Ich persönlich war insbesondere neugierig auf Thomas Philipp Reiter und Jonas Stiefel, weil ich die beiden bislang noch nicht live erlebt hatte. Von Tafin Ahsbas hingegen hatte ich bei einer Veranstaltung der Grünen zur Verkehrswende in Elmshorn vor einer Weile schon einmal einen kleinen Eindruck gewonnen. Und mit Volker Hatje hatte ich in meiner Zeit als Vorsitzende des Willkommensteams für Flüchtlinge Elmshorn e. V. immer wieder mal zu tun – und habe ihn und die ihm unterstellte Stadtverwaltung, hier insbesondere Stadtrat Dirk Moritz, seinerzeit uns gegenüber immer als sehr aufgeschlossen, engagiert und zuverlässig erlebt. Überhaupt war die Stadtverwaltung während der Flüchtlingskrise und in der Zeit danach sehr auf Zack – schließlich gründete sich unser Willkommensteam auf Initiative der Behörde und arbeitete von Anfang an eng mit dem Rathaus zusammen. Aber auch bei anderen Themen hatte ich den Eindruck, dass wir Bürgerinnen und Bürger bei der Stadtverwaltung bereitwillig angehört werden und uns in laufende Diskussionen und Pläne einbringen können – Beispiele für diese Transparenz habe ich in Blogbeiträgen über die Zukunft der Markthalle, eine Informationsveranstaltung zum Status Quo der Flüchtlingsversorgung in Elmshorn oder über meinen Termin im Rathaus nach einem kritischen Bericht über das Veloroutenkonzept aufgeschrieben. Grundsätzliches habe ich an unserem aktuellen Bürgermeister und seiner Verwaltung also nicht viel auszusetzen – bis auf dass mir als eher ungeduldiger Mensch natürlich vieles zu langsam vorangeht, was in Elmshorn auf der Agenda steht (Stadtumbau, Knecht’sche Hallen, Hallenbad, Verkehrsinfrastruktur…).
Beim Chef der städtischen Verwaltung kommt es auf die Persönlichkeit an
Nachdem ich also nicht wirklich unzufrieden mit der Arbeit von Volker Hatje bin, stellt sich die Frage, ob es einem der drei anderen Kandidaten gelingen könnte, die Beschlüsse der Elmshorner Politik noch besser umzusetzen und unsere Stadt an den verschiedenen Fronten noch gelungener zu repräsentieren. Der Bürgermeister hat dabei nur begrenzten eigenen politischen Gestaltungsspielraum und muss in erster Linie die Arbeit der städtischen Verwaltung managen. Dabei kommt es in meinen Augen vor allem auf die Persönlichkeit des jeweiligen Kandidaten an: Ist das ein Mensch, mit dem sich die Elmshornerinnen und Elmshorner identifizieren können? Hat er ein offenes Ohr für die Belange der Bürgerinnen und Bürger? Kann er Beschlossenes umsetzen, nach außen vertreten und der Bevölkerung erklären?
Neugierige Menschen im Saal und via Facebook-Livestream
Ein paar hundert weitere Elmshornerinnen und Elmshorner waren ebenfalls neugierig auf die Kandidaten. Jedenfalls war das Audimax der Nordakademie war beinahe bis auf den letzten Platz besetzt, andere verfolgten das Geschehen via Facebook-Livestream der Elmshorner Nachrichten, das Video kann man hier auch weiterhin anschauen (am besten den Bildschirm um 90 Grad kippen, denn das Video wurde leider im Hochformat aufgenommen 🙂 ). Hier nun also meine ganz persönlichen Eindrücke von den Kandidaten. Ich sortiere sie mal von jung nach alt.
Jonas Stiefel ist Student und mit seinen 21 Jahren der jüngste Kandidat. Eigentlich möchte ich niemanden wegen seines Alters diskriminieren. Ich habe großen Respekt davor, dass ein so junger Mensch sich nicht nur einfach für Politik interessiert, sondern sie an verantwortungsvoller Stelle mitgestalten möchte. Doch wenn ich mal zurückblicke, wie begrenzt meine eigene Lebenserfahrung im Alter von 21 noch war (ich studierte damals in Hamburg vor mich hin), dann fällt es mir leider ein bisschen schwer, diesen Kandidaten wirklich ernst zu nehmen. Dazu trägt allerdings auch die Partei bei, der Jonas Stiefel angehört. „Die Partei“ ist eine Satirepartei, die aus der Opposition heraus häufig ganz großartig den Finger in die Wunde legt und Absurditäten des politischen Systems vorführt – siehe Martin Sonneborns Abenteuer als Europa-Abgeordneter. Doch in der Exekutive ist nun mal keine Satire angesagt, sondern das echte pralle Leben. Jonas Stiefel macht auf mich den Eindruck, als habe er sich nicht zu 100 Prozent entschieden, ob er wirklich ein ernstzunehmender Politiker oder doch eher ein Partei-Satiriker sein möchte. Er verfolgt zwar einerseits ein paar durchaus vernünftige politische Ziele (Förderung des Radverkehrs, Einführung eines Bürgerrats, Wiederbelebung des Apollo-Kinos als Ort der Jugendkultur, mehr generationenübergreifender Zusammenhalt in der Gesellschaft etc.), erklärte auf eine Frage aus dem Pulikum zur Zukunft der Krückau aber auch schmunzelnd, er könne sich vorstellen, anstelle der Krückau einen Deich aufzuschütten. Nun gut. Im Verlauf der Diskussion lieferte er sich immer wieder kleine verbale Scharmützel mit seinem Sitznachbarn auf dem Podium, dem FDP-Kandidaten Thomas Philipp Reiter. Was einerseits ein bisschen albern war, andererseits aber auch eine lustige neue Vokabel in den Elmshorner Sprachgebrauch einführte: „Da müssen Sie jetzt nicht immer so drauf rumreitern!“ Nach seinen Plänen für den Fall der Wahlniederlage gefragt, antwortete Stiefel, er würde dann erst einmal weiter studieren und es in sechs Jahren wieder versuchen. Dem Applaus nach zu urteilen hielten das etliche im Publikum für die ohnehin bessere Idee.
Tafin Ahsbahs ist mit seinen 30 Jahren der zweitjüngste Kandidat. Als ich selbst in diesem Alter war, hatte ich mein Studium beendet und arbeitete als Jungredakteurin in einem kleinen Verlag. Ich war Mutter eines 6-jährigen Sohnes, meine erste Ehe war bereits gescheitert. Jedenfalls hatte ich schon gehörig mehr Lebenserfahrung auf dem Buckel als noch mit 21 Jahren, stürzte mich gerade voller Energie in einen neuen Lebensabschnitt und hatte gleichzeitig auch schon einige Illusionen beerdigt. In einer Vorstellungsrunde für Bürgermeisterkandidaten hätte ich in dem Alter allerdings garantiert noch nicht glänzen können. Tafin Ahsbas hingegen wirkte auf dem Podium sympathisch, kompetent und souverän auf mich. Es gefällt mir, dass er erst einmal die großen Ziele definieren will (z. B. „Jeder in Elmshorn soll von seinem Zuhause aus in 40 Minuten Fahrzeit mit dem ÖPNV zum Hamburger Hauptbahnhof gelangen können.“), bevor er die dafür erforderlichen Mittel (Bustakt? drittes Gleis? vierte Bahnsteigkante? Express-S-Bahn?) unter die Lupe nimmt. Seine berufliche Erfahrung als Bau- und Projektleiter in Bauunternehmen und seine politische Erfahrung als Ratsherr der Stadt Pinneberg kämen ihm beim Stadtumbau in Elmshorn sicherlich zugute. Gut gefallen hat mir auch seine vorgetragene Idee, den städtischen Etat auf der Homepage der Stadt Elmshorn für alle Bürgerinnen und Bürger einsehbar zu machen. Man könnte sich dann quasi jederzeit wie mit einem Kontoauszug ein Bild davon machen, wie es um die städtischen Finanzen steht. Ich hatte den Eindruck, dass Tafin Ahsbahs auch bei den anderen Leute im Saal überwiegend gut ankam. Dazu trug vielleicht auch mit bei, dass er überhaupt nicht wie eine fundigrüne Spaßbremse rüberkommt, die allen das Autofahren und Fleischessen verbieten will (man kann ihn übrigens noch am kommenden Freitag im Broderick auf ein Bier und einen Burger treffen und sich selbst davon überzeugen), sondern eher als ein grünpragmatischer Realist.
Thomas Philipp Reiter ist 50 Jahre als und damit etwa ein Jahr älter als ich. Über dieses Alter kann ich ganz subjektiv nur soviel sagen: Man hat schon einiges geschafft, sich seinen Platz in dieser Welt erarbeitet und trotzdem noch Lust auf Neues. Ein cooles Alter. Thomas Philipp Reiter ist Unternehmer und hat schon in vielen Positionen gearbeitet, in denen es auf Netzwerken und Kommunikation ankommt. Ein politisches Amt hatte er noch nicht inne, ist aber seit seiner Jugend politisch aktiv. An ihm gefällt mir, dass er als einziger Kandidat sein Wahlprogramm auch in die türkische Sprache hat übersetzen lassen, um türkischsprachige Wählerinnen und Wähler niedrigschwellig anzusprechen. Von diesem Bonuspunkt abgesehen, vermochte mich Thomas Philipp Reiter allerdings nicht so recht zu überzeugen. Ich finde den Ansatz „think big“ zwar auch besser als sich im alltäglichen Kleinklein zu verlieren. Aber aus dem Elmshorner Stadtumbau gleich ein Projekt „HafenCity“ zu machen, mit dem das „maritime Erbe“ der Stadt betont wird… das war mir dann doch eine Nummer zu groß. Und seine Aussage, er sei im Gegensatz zu einem Clown, einem Grünen und einem Verwalter der kompletteste Kandidat, fand ich dann sogar ziemlich großspurig. Auch mit diesem Gefühl war ich – glaube ich – nicht allein im Saal: Das Publikum lachte angesichts solcher Unbescheidenheit ein wenig ungläubig, manche buhten sogar.
Volker Hatje ist mit seinen 58 Jahren der älteste der vier Kandidaten – und freute sich entsprechend über die Anmerkung eines 80-Jährigen aus dem Publikum, der alle vier auf dem Podium pauschal der jungen Generation zurechnete. 🙂 Der amtierende Bürgermeister spielte bei der Vorstellungsrunde erwartungsgemäß seinen Amtsinhaber-Bonus voll aus. Natürlich hat er als amtierender Bürgermeister Einblick in viel mehr Entscheidungen und Prozesse als seine drei Konkurrenten, entsprechend detaillierter fielen viele seiner Antworten auf Fragen aus dem Publikum aus. Volker Hatje berichtete, was er in seiner ersten Amtszeit erreicht hat und skizzierte, wie er darauf aufbauen und Angefangenes fortführen möchte. Ganz oben auf seiner Agenda steht dabei die Neugestaltung des Elmshorner Bahnhofs. Ich erinnere mich noch recht gut an die erste Bürgermeisterwahl, die ich vor sechs Jahren in Elmshorn mitgemacht habe. Damals waren sich eigentlich alle einig, dass Volker Hatje das Amt übernehmen soll, weil er ein Elmshorner Jung ist, sein gesamtes Berufsleben in der Verwaltung verbracht hat und ihre Strukturen und Prozesse in- und auswendig kennt. Ich fand das ebenfalls schlüssig und denke auch, dass Elmshorn mit seiner Expertise sicher nicht schlecht gefahren ist (siehe oben). Manchmal habe ich allerdings auch den Eindruck, dass Volker Hatjes größter Vorteil (er kommt aus der Verwaltung und kennt sie wie kein anderer) gleichzeitig auch ein gewisser Nachteil sein kann. Denn wer immer in der Verwaltung mit ihren typischen Strukturen und Prozessen gearbeitet hat, dem fällt es vielleicht manchmal schwer, die Dinge auch mal aus einer ganz anderen Warte zu betrachten, Abläufe zu hinterfragen und sich Herausforderungen anders zu nähern als der Verwaltungsapparat das in seiner gewohnten Routine nun einmal tut. Ob die anderen Menschen, die in der Nordakademie im Publikum saßen, auch gelegentlich so ein Gefühl beschleicht, vermag ich nicht zu sagen. Volker Hatje, der sein Programm von allen Kandidaten am detailliertesten vortrug, auf Fragen bereitwillig einging und auch bei kritischen Äußerungen sachlich und freundlich reagierte, bekam jedenfalls viel Applaus und hat sicherlich sehr gute Chancen, eine zweite Amtszeit anzutreten.
Bitte alle am 15. September ins Wahllokal gehen und ein Kreuzchen machen!
In meinen Augen läuft die Bürgermeisterwahl also auf ein Duell zwischen Amtsinhalber Volker Hatje und dem Grünen Tafin Ahsbahs hinaus. Und ich bin gespannt, ob ich mit dieser Einschätzung Recht behalte – und wer am Ende das Rennen machen wird. Also nicht vergessen: Am Sonntag, 15. September 2019 Wahlbenachrichtigung schnappen und ein Kreuzchen machen. Es ist ganz einfach. Ihr müsst den Wahlhelfern noch nicht einmal Kuchen mitbringen – das habe ich einmal probiert, als mein Mann seinem ersten Einsatz als Wahlhelfer hatte. Obwohl ich mir viel Mühe beim Backen gegeben hatte, brachte er den Kuchen beinahe unberührt wieder mit nach Hause, weil im Wahlbüro auch ohne mein Zutun schon große Mengen an Nervennahrung für die Wahlhelfer bereitstanden. Soviel Aufwand ist also nicht nötig. Nur ein Kreuzchen auf dem Wahlzettel macht keine große Mühe – und den Wahlhelfern ein freundliches Lächeln zu schenken ebenfalls nicht! 🙂
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