Vor einer Weile bekam ich von der Polizei Schleswig-Holstein die Auskunft, dass in ganz Schleswig-Holstein keine Angriffe von Krähen auf Menschen aktenkundig sind. Doch offenbar ist der Polizeistatistik da der „Terror durch wilde Rabenkrähen“ in Barlt durch die Lappen gegangen.
Aufmerksame Blog-Leser wissen, dass ich ein etwas getrübtes Verhältnis zu den vielen Saatkrähen habe, die in Elmshorn ihr Unwesen treiben. Sie sind laut und scheißen alles voll – und man darf (fast) nichts gegen sie unternehmen, weil sie unter Naturschutz stehen. Unklar ist, ob sie Menschen nicht nur durch die Keime in ihren Ausscheidungen gefährlich werden können (die sie gelegentlich auf den Grundstücken von Kindergärten oder Schulen hinterlassen, wo Kinder eigentlich gern draußen spielen), sondern auch durch aggressive Angriffe. In Hamburg kommen Angriffe von Krähen auf Menschen Presseberichten zufolge zwei- bis dreimal im Jahr vor. In Schleswig-Holstein hingegen wurden in den vergangenen Jahren überhaupt keine Krähenangriffe gemeldet, wie mir die Pressestelle der Landespolizei im Juni 2015 mitteilte.
Das heißt allerdings offenbar nicht, dass es keine gibt. Denn neulich erzählte ich einer Freundin so ganz am Rande von dem Krähenärger in Elmshorn und was ich im Zuge meiner Bloggerei zu diesem Thema herausgefunden habe. Und sie war sich sicher, dass die Polizeistatistik in diesem Punkt Lücken aufweist. Schließlich habe es erst in diesem Frühjahr in der kleinen 794-Einwohner-Gemeinde Barlt (ich musste auch erst einmal nachschauen, wo das liegt: nämlich genau zwischen Busenwurth und Trennewurth im Kreis Dithmarschen – also von Elmshorn aus nach Nordwesten Richtung Nordsee) Riesenärger mit Krähen gegeben, die einen Kindergarten attackiert hatten. Da wurde ich als investigative Krähen-Ermittlerin natürlich hellhörig. Unsere Freundin versprach, die entsprechenden Zeitungsberichte herauszusuchen – und voilà, hier sind sie.
Am 11. Juni 2015 berichtete die Dithmarscher Landeszeitung unter der Schlagzeile „Terror durch wilde Rabenkrähen“, dass in Barlt im vergangenen Jahr Krähen wochenlang gegen die Scheiben geflogen waren und wild herumflatterten, sodass die Fenster mit Pappen abgedeckt werden mussten und die Türen nicht offen stehen durften. „Die Erzieher hatten auch Angst, dass die draußen spielenden Kleinkinder angefallen werden könnten“, heißt es in dem Artikel. Und weiter: „Damit sich Ähnliches 2015 nicht wiederholt, sollen die Rabenkrähen verschwinden. Da Vergrämen dauerhaft nicht wirkt, müssten sie geschossen werden.“ Ein paar Wochen später gab es unter der Überschrift „Barlt: Krähen-Terror hält an“ eine weitere Meldung zum Thema: Weil die Krähen im vergangenen Jahr die Kinder in der Kindertagesstätte ‚Kreuz und Quer’ „regelrecht terrorisiert“ hätten, seien sie daraufhin im Winter zum Abschuss freigegeben worden.
Von einer Freigabe zum Abschuss sind wir in Elmshorn ja bekanntlich weit entfernt. Und woran liegt es, dass man mit der Krähenplage in Dithmarschen und Elmshorn so unterschiedlich umgeht? Mein erster Gedanke war: In Dithmarschen waren es Rabenkrähen(Corvus corone), in Elmshorn hingegen haben wir es mit Saatkrähen (Corvus frugilegus) zu tun. Die Unterschiede zwischen den beiden Arten kann man übrigens hier nachlesen. Steht möglicherweise die eine Art unter Naturschutz und die andere nicht? Nein, sagt der Naturschutzbund (Nabu) auf seiner Internetseite und verweist auf die Rechtslage, wonach sowohl Saat- als auch Rabenkrähen geschützt sind:
„Der Kolkrabe (Corvus corax) unterliegt bereits seit Inkrafttreten des Reichsjagdgesetzes (RJG) 1935 dem Jagdrecht; er wurde in Fortführung des RJG in die Liste der jagdbaren Arten gemäß § 2, Abs. 1 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) von 1976 aufgenommen. Die Europäische Union stellte mit der EG-Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG) von 1979 alle Singvogelarten, und damit auch Elster, Rabenkrähe und Eichelhäher, unter Vollschutz. Die Unterschutzstellung von Elster, Aaskrähe und Eichelhäher im deutschen Recht wurde erst 1987 in Anpassung an die EG-Vogelschutzrichtlinie vollzogen. Der NABU (Naturschutzbund Deutschland) – damals noch Deutscher Bund für Vogelschutz (DBV) – hat, wie auch die anderen deutschen Naturschutzverbände, diesen Schritt seinerzeit begrüßt (z.B. DBV 1987, DBV 1990) und steht aus den dargelegten Gründen auch heute noch dazu.“
Der Nabu verweist aber auch auf die geltenden Ausnahmeregelungen, nach denen Rabenvögel gejagt werden dürfen, um die heimische Tierwelt zu schützen oder „erhebliche landwirtschaftliche Schäden“ abzuwenden:
„Einzelfallausnahmen nach § 20g Abs. 6 BNatSchG, nach der die zuständige Landesbehörde im Einzelfall Ausnahmen von den Verboten des § 20f Abs. 1 BNatSchG zulassen kann: Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein.“
Diese rechtliche Ausgangssituation wirft eine interessante Frage auf: Stuft man in Dithmarschen Krähenangriffe auf Kindergartenkinder als „Angriff auf die heimische Tierwelt“ oder eher als „erheblichen landwirtschaftlichen Schaden“ ein? Auf jeden Fall scheint es auch eine Frage der Mentalität zu sein, ob marodierende Krähen zum Abschuss freigegeben werden oder nicht.
Fotonachweis: ©http://www.torange-de.com
4. Juni 2016 um 17:44
Hallo Antje,
ich hatte heute das „Vergnügen“ einen Krähenangriff hautnah zu erleben. Ich bin mit dem Fahrrad gerade zum Sport beim UKSH Kiel gefahren als die Krähe von hinten auf meinen Rücken flog und attackierte. Gelöst wurde die sehr unangenehme Situation das ich anschließend auf den Asphalt knallte.
Später erfuhr ich das ein anderer aus meiner Sportgruppe als Fußgänger ebenfalls vor der Sporthalle attackiert wurde.
Es gibt sie also doch. Krähenangriffe in Kiel.
Grüße Christin
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4. Juni 2016 um 18:19
Wow, das ist ja krass! Ich hoffe, du hast dich inzwischen von der Attacke erholt! Vielleicht sollte man solche Fälle konsequent auch bei der Polizei melden, damit es endlich mal eine Statistik darüber gibt und sich ggf. etwas an dieser (in meinen Augen) überzogenen Tierschutznummer ändert? Auch wenn eine polizeiliche Meldung natürlich unmittelbar nichts bringt… LG Antje
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