Elmshorn für Anfänger

Geschichten von einer, die auszog, im Hamburger Speckgürtel zu leben. Eine pragmatische Liebeserklärung.

„Das kann man machen, wenn man einen Turm hat“

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Am 13. September 2015 war Tag des offenen Denkmals. In Elmshorn bedeutete das, dass Interessierte im Verlauf des Tages mehrfach die Gelegenheit hatten, sich durch den alten Wasserturm an der Jahnstraße führen zu lassen. Dabei erzählte der Eigentümer Ludwig Klein, was er seit dem Kauf des Turms im Jahre 2003 so alles mit dem denkmalgeschützten Gebäude erlebt hat.

Seit ich in dem Buch „Stadtgespräche aus Elmshorn“ ein Portrait von Ilse und Ludwig Klein gelesen habe, die den alten Wasserturm an der Jahnstraße bewahren, stand ein Besuch des denkmalgeschützten Bauwerks bei mir auf Liste der Dinge, die ich in Elmshorn unbedingt einmal erlebt haben möchte. Am vergangenen Sonntag nun bot sich eine tolle Gelegenheit, denn anlässlich des bundesweiten Tag des offenen Denkmals waren auch im Wasserturm die Türen den ganzen Tag über geöffnet und die Führungen ausnahmsweise sogar kostenlos.

Öffentliches Leben statt privatem Wohnen im Wasserturm

Der von 1900 bis 1902 erbaute Turm war bis 1989 im Betrieb der Elmshorner Wasserwerke und wurde erst durch die Inbetriebnahme moderner Pumpen als Zwischenspeicher überflüssig. Wie diese einstmals so innovative Technik funktionierte, kann Ludwig Klein ebenso lebendig erzählen wie seine Erlebnisse in der seit 2003 andauernden Sanierungs- und Ausbauphase seines Wasserturms. Zusammen mit seiner Frau Ilse war er schon eine Weile auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten für ihre Kerzenwerkstatt gewesen, als er entdeckte, dass der leerstehende Wasserturm zum Verkauf stand. Viele Menschen, die sich für denkmalgeschützte Bauten dieser Art interessieren, bauen diese dann ja zu Wohn- oder Ferienhäusern um (und manchmal kann man dann in Tageszeitungen oder in Magazinen wie „Schöner Wohnen“ über diese neuen Nutzungsformen lesen). „Für uns stand aber von Anfang an fest, dass wir nicht in unserem Turm wohnen, sondern ihn für die Öffentlichkeit erhalten wollen“, sagt Ludwig Klein. Dieser Wunsch kam ihn und seine Frau allerdings recht teuer zu stehen, denn bei öffentlichen Gebäuden gelten Brandschutzbestimmungen, die für private Wohnhäusern überhaupt nicht relevant sind. Fluchtwege, Brandschutzfarbe, Belüftungskonzepte – an alles mussten die beiden neuen Turmbesitzer denken. „Wir haben in den vergangenen zehn Jahren gut 350.000 Euro in den Turm gesteckt, für eine Nutzung als Wohnhaus hätten auch 150.000 bis 200.000 Euro weniger gereicht.“

Vom Trinkwasserversorger zur Wachsbar

Dank der Investitionen des Ehepaars kann nun also eine breite Öffentlichkeit erleben, wie es im Inneren des Wasserturms aussieht und nachvollziehen, wie der große Wasserkessel in 36 Meter Höhe mit seinen 550 Kubikmetern Fassungsvermögen vor gut 100 Jahren die Trinkwasserversorgung von Elmshorn revolutionierte. Außerdem können Menschen aller Altersstufen in den Turm kommen und Kerzen ziehen. Für die dafür erforderlichen Wachsbecken hat Ludwig Klein eigens den Boden des Turms abgesenkt und spezielle Heizschlaufen eingebaut. Diese beheizen die „Wachsbar“, einen runden Tresen, dessen Bottiche verschiedenfarbiges flüssiges Wachs enthalten. „So eine Konstruktion gibt es nicht von der Stange, die habe ich selbst entworfen“, sagt der Tüftler, der im Hauptberuf Ingenieur für Verfahrenstechnik ist. Zum Kerzenziehen kommen vor allem Kinder – entweder in kleinen Gruppen oder als ganze Schulklassen. „Beim Kerzenziehen kommt es nicht auf Geschwindigkeit an, im Gegenteil!“, erzählt Ludwig Klein, „wer den Docht zu früh wieder eintaucht, bevor das Wachs erhärtet ist, kommt mit seiner Kerze nicht voran.“ Kinder begriffen das sehr schnell, und dann falle es selbst dem hibbeligsten kleinen Quälgeist auf einmal leicht, einmal für eine längere Zeit still zu sitzen. „Das schönste am Kerzenziehen aber ist, dass jeder dabei Erfolgserlebnisse hat“, meint Ludwig Klein. Das sei besonders für behinderte Kinder eine tolle Erfahrung.

Heiraten in rustikal-romantischer Atmosphäre

Man kann den Turm auch für Veranstaltungen buchen – ich erinnere mich, dass ich in meiner näheren Umgebung schon häufiger Plakate für Wahlkampftermine oder politische Gesprächsrunden im Wasserturm gesehen habe. Seit 2008 ist der Wasserturm auch eine Außenstelle des Standesamtes Elmshorn. 49 Paare haben den Raum über den Dächern der Stadt, unmittelbar unter dem Wasserbehälter, schon für ihre Trauungszeremonie genutzt. „Für eine Braut, die mit weißem Kleid und Schleppe hier hochklettert, sauge ich auch einmal extra Staub“, beteuert Ludwig Klein. Für Hochzeiten wird der Raum mit Teelichtern anstatt mit Neonröhren erleuchtet, „wer rustikale Romantik mag, der ist hier richtig.“ Auch für Hochzeiten im eigenen Familienkreis hat Familie Klein das schöne Backsteingemäuer bereits genutzt. „Mein Schwiegersohn hat ein Faible für Mittelalterthemen, da habe ich den Turm für die Hochzeit meiner Tochter in einen Mittelalterturm umgebaut. Das kann man halt machen, wenn man einen Turm hat.“

3 Kommentare zu “„Das kann man machen, wenn man einen Turm hat“

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