So gern ich über die schönen Ecken unserer Stadt schreibe, so sehr ärgere ich mich leider auch oft über politische Entscheidungen in Elmshorn. Einer der aktuellen Aufreger ist die geplante Sanierung einer baufälligen und völlig nutzlosen Bahnbrücke, die uns Steuerzahler deutlich teurer zu stehen kommt als ein Abriss.
Ich kenne die olle Bahnbrücke an der Wrangelpromenade von meinen Laufrouten, aber auch wenn ich mit dem Auto vom Fuchsberger Damm Richtung Zuhause fahre. Weil über sie seit Jahrzehnten keine Züge verkehren, besteht ihr einziger Beitrag zum Mobilitätsgeschehen darin, Verkehr zu behindern. Nun soll dieses Hindernis also für teures Geld saniert statt für etwas weniger Geld abgerissen werden – weil auf ihr ein erhaltenswertes ‚Biotop‘ gedeiht. Diese politische Entscheidung war mir schon bei ihrem Bekanntwerden im Dezember 2020 suspekt. Nun habe ich mir das Gekraute oberhalb der Brücke selbst einmal angeschaut und ärgere mich erst recht darüber.
Zu meinem Vor-Ort-Termin kam es, als wir neulich bei unserem beinahe schon obligatorischen Corona-Abendspaziergang mal einen anderen Weg einschlugen als sonst. „Du wolltest doch die ganze Zeit schon mal einen genaueren Blick auf die alte Bahnbrücke an der Wrangelpromenade werfen“, meinte mein Mann und lotste mich in Richtung des baufälligen Monstrums. Wir sahen schon von Weitem, dass oben am Geländer drei etwa zehnjährige Jungen herumturnten. „Wir spielen hier schon den ganzen Tag!“, rief einer von ihnen stolz in unsere Richtung, „und wir sind ganz schön weit weg von der Straße, in der wir wohnen!“ Wäre ich in ihrem Alter, hätte ich sie ziemlich cool gefunden, wie sie dort abhingen. Da ich aber inzwischen die 50 hinter mir gelassen habe, antwortete ich eher etwas wie „Passt bloß auf, dass ihr da nicht runterfallt!“ Und fragte bei der Gelegenheit gleich, an welcher Stelle man am besten auf die alte Brücke klettern kann. Die drei Jungen zeigten mir bereitwillig, welchen Weg sie genommen hatten. Ich folgte ihnen.
Oben angekommen, führten sie mich auch gleich auf ihrem inoffiziellen Abenteuerspielplatz herum: „Da hinten liegt eine alte Pferdedecke!“, rief einer. Und ein anderer zeigte mir, wo überall Steine und Betonfragmente locker sitzen. Keine Frage, dass die Brücke baufällig ist, erschließt sich auf den ersten Blick. Dass sich hier über die Jahre ein schützenswertes Biotop entwickelt hat – damit hatten SPD, Grüne und Linke ihr Votum für den Erhalt und die Sanierung begründet, wie man hier in den Elmshorner Nachrichten nachlesen kann – konnte ich hingegen auch nach drei, vier, fünf, sechs Blicken beim besten Willen nicht feststellen. Wo man dort oben auf der Brücke auch hinblickt, sieht man nur Brombeergestrüpp und Müll.










Mit Brombeergestrüpp habe ich so meine Erfahrungen. Es strebt grundsätzlich nach der Weltherrschaft und wuchert überall, wo man es lässt. Besonderen Schutz benötigt es nicht. Andere Gartenbesitzer werden mir das sicher bestätigen. Doch das dornige Gekraute oben auf der maroden Bahnbrücke besitzt für eine Mehrheit der hiesigen Politikerinnen und Politiker offenbar einen derartigen Wert, dass man ihm zuliebe bereit ist, für eine halbe Million Euro (!!) ein ansonsten unnützes Verkehrshindernis zu sanieren. Wobei ja auch klar ist, dass der Erhalt auch in Zukunft Instandhaltungskosten verursachen wird. Ein Abriss wäre mit knapp 400.000 Euro zwar auch kein Schnäppchen gewesen, doch dann fielen immerhin keine Folgekosten mehr für ein überflüssiges Verkehrshindernis an – und man könnte die Straße wieder uneingeschränkt nutzen.
Aktuell nämlich kann immer nur ein Auto zur Zeit die Unterführung passieren, Busse passen aufgrund der Höhe sogar gar nicht hindurch. Wenn mein Mann (1,86 Meter groß) und ich auf dem Fußweg nebeneinander durch den Tunnel gehen, müssen wir immer darauf achten, dass ich an der Wand und er entlang des Geländers geht, sonst würde er sich glatt den Kopf stoßen. Begegnen sich ein Fahrrad und ein Auto in der Unterführung, wird es schnell eng und damit gefährlich. Diesen unbefriedigenden und unsinnigen Zustand zu erhalten, ist der Elmshorner Politik also 500.000 Euro plus noch nicht absehbare Folgekosten wert – damit oben auf der Brücke ein Brombeergestrüpp gedeihen kann. Im Ernst jetzt??
Ich bin froh, dass ich gut verdiene und damit auch einen ordentlichen Beitrag zum Steueraufkommen in dieser Stadt leiste. Ich muss auch beileibe nicht mit allen Investitionen einverstanden sein, die unsere Volksvertreter beschließen. Doch ich erwarte einen umsichtigen und sorgsamen Umgang mit Steuermitteln. Wenn ich nun aber mal grob überschlage, dass sämtliche Einkommenssteuern, die ich bis zu meinem Renteneintritt in ca. 15 Jahren erwirtschaften werde, bei Weitem nicht für den teuren Erhalt dieses Brombeergestrüpps ausreichen werden, dann werde ich wirklich sauer. Zumal diese Posse nur eines von diversen Beispielen für Steuerverschwendung ist, die ich aktuell in Elmshorn beobachte. Doch davon in Kürze mehr…
13. April 2021 um 19:00
Vielen Dank für Ihren Besuch der alten Brücke. Ich habe Anfang der 80er auf der Brücke gespielt, wie es mein Vater schon in den 50ern tat. Die Brombeeren waren damals schon da und unverwüstlich und selbst die Geländer scheinen seit den 20ern zu halten. Ich frage mich, wie man die Brücke sanieren möchte? Bleibt ihr dunkler, morbider Charme erhalten?
Die Entscheidung der Politik ist definitiv eine Fehlentscheidung. Wenn man das Biotop erhalten wollte, wieso hat man das mit dem ehemaligen Baumschulgelände hinter der Wrangelpromenade nicht getan? Aber ich weiss, das Ziel ist eine Fahrradstadt Elmshorn, in einer Stadt, in der sehr viele der Einkommensbezieher nach Hamburg pendelt, in der die Region zum Einkaufen mit dem Auto kommt, in der viele Senioren leben. Da darf man von der Politik nicht zu viel erwarten, wie man auch am Rathausneubauprojekt sieht…
PS: Ich kam übrigens hierher, weil ich meine alten Freunde aus der Kinderzeit suchte. Brücken bleiben, aber was aus Ihnen wohl wurde?
Grüße
Victor Busch
elsmhorner@vicbrother.de
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