Im Erdgeschoss des Möbelmarkts Roller am Franzosenhof soll sich ein Decathlon-Sportmarkt ansiedeln. Dagegen regt sich Widerstand – mit zum Teil haarsträubenden Argumenten, wie ich finde.
Als ich das erste Mal von den Plänen für eine Ansiedlung von Decathlon in Elmshorn las, habe ich mich spontan sehr gefreut. Ich fände es klasse, eine Filiale dieses großen Sporthändlers hier vor Ort zu haben. Doch offenbar sind nicht alle hier meiner Meinung. Seit der ersten Ankündigung ist eine heftige Diskussion entbrannt, die ich nur sehr bedingt nachvollziehen kann.
Da gibt es die Elmshorner Politik, die einer Ansiedlung von Decathlon am Franzosenhof offenbar zustimmt. Dann eine Landesregierung, die nichts von den Plänen hält, weil sie nicht zur Förderung des Einzelhandels in der Innenstadt beitragen. Und natürlich eben diese Einzelhändler, die unliebsame Konkurrenz und damit Umsatzeinbußen fürchten. Aber halt, wurde da nicht jemand vergessen? Genau, die Kunden! Hat irgendjemand der Beteiligten schon mal deren Wünsche und Bedürfnisse in seine Überlegungen einbezogen?
Der Kunde als bloßer ‚Kaufkraftträger‘
Offenbar nicht. Diesen Eindruck hatte ich zumindest heute Morgen, als mir bei der Lektüre der Elmshorner Nachrichten ein Leserbrief ins Auge fiel. Darin heißt es: „Ich kann nur hoffen, dass die zuständige Instanz in Kiel dieses Vorhaben nicht genehmigt. Wir brauchen keine Kaufkraftabwanderung aus der Innenstadt, das dürfte wohl jedem klar sein.“ Tut mir leid, mir ist das überhaupt nicht klar. Im Gegenteil: Ich ärgere mich sogar über eine solche Einschätzung, nach der Kunden in erster Linie Kaufkraftträger sind, die beim Geldausgeben von Staats wegen hierhin oder dorthin gelenkt werden können und müssen.
Elmshorn kann einen weiteren Sportladen gut vertragen
Wie wäre es, die Angelegenheit stattdessen mal aus Kundensicht zu betrachten? Wir haben in Elmshorn – einer Mittelstadt mit über 50.000 Einwohnern – aktuell nur ein einziges Geschäft, das Sportartikel verkauft (okay, wenn wir mal von saisonalen Angeboten bei Tschibo absehen). Ein einziges! Bei Intersport Ramelow (aktuell noch im ehemaligen Laden von Nordsport an der Berliner Straße ansässig, doch der Umzug in die Königstraße war von Anfang an geplant) kann man gut einkaufen, wenn man zum Beispiel ein neues Outfit fürs Fitnessstudio braucht. Oder einen Badeanzug nebst Badelatschen. Oder sportliche Freizeitkleidung. Auch die Auswahl an Laufklamotten ist passabel. Insgesamt liegt der Fokus auf Markenware, das Sortiment ist dementsprechend eher etwas höherpreisig. Es gibt aber auch einen Haufen Sportarten, für die man bei Intersport Ramelow kein Equipment findet. Und es gibt auch Leute, die eher preis- als markenbewusst einkaufen. Elmshorn könnte eine weitere Anlaufstelle für Sportbegeisterte also durchaus gut vertragen, ob nun in der Innenstadt oder anderswo.

Was es hier nicht gibt, kaufe ich halt anderswo
Wo genau der Standort eines solchen Ladens ist, spielt für mich als Kundin gar keine so große Rolle. Ich steuere halt jeweils den Laden an, von dem ich mir eine gute Auswahl, ordentliche Qualität, bei Bedarf qualifizierte Beratung und ein akzeptables Preis-Leistungs-Verhältnis verspreche. Leute wie der Autor des heutigen Leserbriefs und möglicherweise auch manche Einzelhändler, die nach staatlichem Protektionismus schreien, müssen bei meinem nächsten Satz nun ganz stark sein: Wenn es hier vor Ort nichts gibt, das meinen Wünschen und Bedürftnissen gerecht wird, dann kaufe ich halt anderswo. Das kann in Hamburg sein, wo man sogar in Corona-Zeiten ungehindert einreisen und einkaufen kann. Decathlon etwa unterhält bereits drei Filialen in Hamburg, die nächstgelegene von uns aus ist im Krohnstieg-Center in Langenhorn und damit nur eine halbe Stunde Autofahrt von Elmshorn entfernt. Ich war zuletzt vor zwei Wochen dort.

Ich habe seit Jahren ein Online-Konto bei Decathlon
Alternativ kaufe ich ansonsten auch im Netz ein. Ich habe seit vielen Jahren ein Kundenkonto bei Decathlon und bestelle regelmäßig dort. Sollte sich Decathlon in Elmshorn ansiedeln, würde Decathlon diesen Online-Umsatz mit mir vermutlich eher hier vor Ort generieren anstatt online. Doch sollten sich die lokale und die Landespolitik gegen eine Decathlon-Filiale in Elmshorn entscheiden, hieße das definitiv nicht, dass ich mit meiner Kaufkraft brav in die Innenstadt trabe, wie sich das die Wirtschaftsförderung wünscht. Dann würde ich halt weiterhin online bestellen oder auf dem Weg nach Hamburg in der Filiale in Langenhorn haltmachen. Die Wahrheit, die manchem offenbar nicht schmeckt, ist nämlich: Es gibt Decathlon längst, nur halt nicht in Elmshorn, sondern 30 Kilometer bzw. einen Klick entfernt.

Zu viel Planwirtschaft, zu wenig Kundenorientierung
Natürlich ist mir auch an einer lebendigen Innenstadt gelegen. Wie oft spaziere ich abends durch die City und bedauere, dass sie schon um 19 Uhr wie ausgestorben ist. Nicht nur in Corona-Zeiten wohlgemerkt, auch sonst. Ich wünsche mir nette Geschäfte, urige Lokale, schnuckelige Cafés und Kultureinrichtungen, die mich in die Innenstadt locken. Was ich dagegen nicht mag, ist eine quasi-offizielle Order, die mir vermittelt: „Du hast gefälligst in der Innenstadt einzukaufen, ob es dir nun passt oder nicht, deshalb verhindern wir jetzt auch eine eigentlich sinnvolle Ansiedlung am Franzosenhof.“ Das ist mir zu viel Planwirtschaft und zu wenig Kundenorientierung. Sind die Angebote der Einzelhändler in der Innenstadt denn so schlecht, dass Kunden nur unter Zwang dorthin gehen? Das glaube ich kaum. Und wenn es so wäre: Müssten wir als Gesellschaft dann tatsächlich auf Biegen und Brechen innerstädtischen Einzelhandel künstlich am Leben erhalten, obwohl ihn eigentlich niemand nutzen mag?
Elmshorner Spezialität: Sportfachgeschäfte vergraulen
Doch zurück zur Causa Decathlon. Die ganze Geschichte hat natürlich auch eine historische Dimension. Mit genau dem Argument „innenstadtrelevanter Einzelhandel“ wurde bekanntlich vor ein paar Jahren der Umzug von Nordsport in das leerstehende Ladenlokal (vormals Max Bahr) neben Rewe an der Westerstraße verhindert. Nordsport ist letztlich ganz aus Elmshorn nach Rellingen abgewandert, glücklich kann darüber doch eigentlich niemand sein. Leerstand und ‚Lost places‘ gibt es doch weiß Gott genug in Elmshorn, den muss man doch nicht auch noch künstlich aufrechterhalten. Ich zumindest empfinde das bis heute als krasse Fehlentscheidung – zumal es bis heute kein neues Konzept gibt, was mit der Ladenfläche neben Rewe geschehen könnte. Deshalb lasse ich das Argument „Wenn wir seinerzeit Nordsport vergrault haben, müssen wir jetzt konsequenterweise auch Decathlon vergraulen“ nicht gelten. In meinen Augen ist der hier praktizierte Innenstadt-Protektionismus vor allem eins: nicht im Sinne der Kunden.
1. Dezember 2020 um 7:06
Hallo Nachbarin!!
Grundsätzlich gebe ich dir Recht und auch ich würde mich freuen wenn Decathlon sich in Elmshorn ansiedeln würde . Was mir als Elmshornerin allerdings auch ein wenig quer im Magen liegt ist, das wieder einmal ein attraktiver Markt zu Gunsten von Herrn Sachau am Franzosenhof angesiedelt werden soll. Wieder dorthin wo man mit dem Auto hin muss weil der Busverkehr in die Richtung extrem Kundenunfreundlich ist. Wieder einmal muss man das Auto nutzen was ja eigentlich nicht gewünscht ist. Ich hätte Decathlon gerne Innenstadt nah und das aus eher praktischen Gründen. Ich kenne Elmshorn seit nunmehr 54 Jahren, also von Geburt an, und ich kann verstehen wenn der Missmut wächst, wenn man den Wandel des Innenstadtbereichs über die letzten 50 Jahre betrachtet. Ob sich allerdings Kiel einmischen sollte??? Ich denke mal eher nicht. Schlussendlich wird der Kunde entscheiden ob ein Standort akzeptiert wird oder nicht und ich befürchte das wir inzwischen so gefügig sind das nach einem kurzen Aufbäumen auch der geplante Standort schön geredet und akzeptiert wird . In dem Sinne…
Liebe Grüße von Andrea
LikeLike
7. Dezember 2020 um 8:27
Wohl wahr Ihre Ausführungen der Einzelhandel ist geschlossen und geht gegen die Ansiedlung vor. Soviel Engagement würde ich mir wünschen wenn es um kostenlose Parkplätze und ein angenehmes Stadtbild geht welches Kunden zum kommen und verweilen einlädt. Aber Fehlanzeige. Auch stört im Stadtbild den Einzelhandel der x te Dönerladen wenig nun ja, der nimmt ja auch kein Umsatz weg. Eigentlich ist der Stadtkern schon auf der Verliererspur, aber hier muss man fragen was haben Stadtentwicklung und die Werbegemeinschaft die letzten Jahre wirklich getan ausser mögliche Konkurrenz draußen zu halten.
LikeLike
Pingback: Mein Elmshorner Jahresrückblick 2020 | Elmshorn für Anfänger