Elmshorn für Anfänger

Geschichten von einer, die auszog, im Hamburger Speckgürtel zu leben. Eine pragmatische Liebeserklärung.

Warum ich die Kündigung des Elmshorner AfD-Vorsitzenden durch den EMTV genau richtig finde

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Das Thema beherrscht seit einigen Tagen die Schlagzeilen in Elmshorn: Der hiesige Sportverein EMTV hat seinen Auszubildenden Maximilian Holstein fristlos entlassen. Holstein war kurz zuvor zum Vorsitzenden des neu gegründeten Ortsverbands der AfD gewählt worden und bekennt sich öffentlich zum sogenannten Flügel der Partei um Björn Höcke. Gegen den wiederum laufen ganz aktuell nach einer Rede bei einer Pegida-Demonstration in Dresden staatsanwaltliche Ermittlungen wegen des Verdachts auf Volksverhetzung.

Der 23-jährige Elmshorner AfD-Chef hatte erst im August 2019 seine Ausbildung als Sport- und Fitnesskaufmann beim EMTV begonnen. Die Information, dass er Mitglied in der AfD ist und an verschiedenen Demonstrationen der AfD, NPD und Identitären Bewegung teilgenommen hat, kursiert bereits seit ein paar Monaten im Netz. Der EMTV nahm dies zur Kenntnis, doch es ist nun einmal nicht verboten, Mitglied in der AfD zu sein. Es gab zunächst keine Anhaltspunkte dafür, dass der Mitarbeiter dem Verein und seinen Werten schaden könnte.

Der EMTV hat die Reißleine gezogen – und er hatte guten Grund dazu!

Doch nun hat sich das Blatt gewendet. Holstein hat den Vorsitz des AfD-Ortsverbandes übernommen, öffentlich Sympathien für den Faschisten Björn Höcke und seinen rechtsextremistischen „Flügel“ geäußert, der bekanntlich vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Ebenso öffentlich hat er behauptet, es gebe keine Meinungsfreiheit und Demokratie in Deutschland. Der EMTV als sein Arbeitgeber hat die Reißleine gezogen und ihn fristlos entlassen – zum Glück, wie ich finde. Denn es ist etwas anderes, ob ein Angestellter einfach nur still und leise Mitglied in einer Partei ist, die dem Verein nicht gefällt und mit ihren politischen Zielen auch in Widerspruch zu den gelebten Werten des Vereins steht – oder ob er als Vorsitzender eines Ortsverbands aktiv und öffentlich eine Politik betreibt, die den Werten des EMTV diametral entgegensteht.

Der EMTV setzt sich seit Jahren aktiv für die Integration durch Sport ein

Der EMTV steht für Weltoffenheit und Toleranz. Man kann das in seiner Satzung nachlesen. Darin heißt es unter § 2 (5) wörtlich: „Der EMTV ist politisch, konfessionell, weltanschaulich und rassisch neutral. Auf Veranstaltungen des EMTV darf nicht für Parteien, Konfessionen oder Weltanschauungen geworben werden.“ Das ist kein leeres Geschwätz. Ich habe seit Gründung des Willkommensteams für Flüchtlinge Elmshorn immer wieder erlebt, wie sich der Verein und seine Mitglieder viele Ideen für die Integration der Neuankömmlinge entwickelt haben und damit von sich aus auf das Willkommensteam zugekommen sind.

Beim EMTV gehören Flüchtlinge ganz selbstverständlich dazu

So organisierte EMTV-Mitglied und Integrationslotse Mehmet Karakavak zum Beispiel mehrere Turniere im Hallenfußball, in denen um den Willkommens-Cup gebolzt wurde. Es nahmen Teams mit Flüchtlingen aus verschiedenen Orten in der Region, aber auch Teams der Firma Autoliv und vom Elmshorner Rathaus teil. Im September 2016 hatten Flüchtlinge die Möglichkeit, am Vorbereitungstraining für den Elmshorner Stadtlauf und auch am Wettkampf selbst teilzunehmen. Ich war ebenfalls für das Team des Willkommensteams am Start und hatte Riesenspaß, auch wenn ich erst weit nach den anderen Teammitgliedern ins Ziel kam. Ebenso war 2017 ein Team des Willkommensteams beim Stadtlauf mit am Start – und es war toll zu erleben, wie unsere Läuferinnen und Läufer vom Moderator als ein selbstverständlicher Teil von Elmshorn angesagt und vom Publikum beklatscht wurden. Sport verbindet und bringt Menschen zusammen. Und man sollte meinen, dass die Menschen, die hauptamtlich für den EMTV arbeiten, sich diesem simplen Grundsatz verpflichtet fühlen.

Krude und spalterische Hetzparolen der AfD Elmshorn zum Valentinstag

Bei Maximilian Holstein scheint das anders zu sein. Als Vorsitzender ist er für die öffentlichen Verlautbarungen des AfD-Ortsvereins verantwortlich, die sich auf Facebook zum Beispiel so lesen:

Valentinstag 2020: Die Sicherheit der Frauen ist nicht verhandelbar!

Heute wird die romantische Liebe gefeiert. Abseits davon ob man sich daraus etwas macht, das ganze unter Kommerz abstempelt oder schnell noch rote Rosen kauft – der Valentinstag mit seiner Botschaft ist wichtig geworden. In Zeiten, wo Frauen nicht mehr sicher sind, Männer sich angesichts der grassierenden Gewalt oft vollkommen überfordert fühlen und nach wie vor täglich in den Medien von neuen Übergriffen zu lesen ist, ist von Romantik kaum mehr etwas übrig geblieben. Seit Merkel hunderttausende Männer ins Land geholt hat, die oft mit mittelalterlichem Macho-Selbstverständnis Frauen als Freiwild ansehen, ist viel passiert. Schwimmbäder sperren Asylbewerber aus, weil diese sich nicht zu benehmen wissen. Wöchentlich kann man von missbrauchten Frauen und Mädchen lesen, die diese Übergriffe sogar oft mit ihrem Leben bezahlen müssen. Die Gewalt trifft jede Altersstufe, überall, zu jeder Tageszeit. Längst meiden Frauen Orte, wo sie sich nicht mehr sicher fühlen. Viele führen obligatorisch Pfefferspray mit sich, tauschen Rock gegen (Antivergewaltigungs-)Hose und beantragen den kleinen Waffenschein. Täter erhalten kulturellen Rabatt und verlassen lachend den Gerichtssaal. Staunend verfolgt man ferner das Angebot des Kindersenders Kika, wo die zarte, erste Liebe einem „Ohne Dings kein Bums“ weichen muss. An diesem Valentinstag möchten wir noch einmal klar und deutlich feststellen: Die Sicherheit und die Freiheit der Frauen und Mädchen ist nicht verhandelbar! Dafür werden wir uns als AfD Ortsverband Elmshorn weiterhin mit ganzer Kraft einsetzen. Wir wünschen allen Familien, Paaren, Frischverliebten und natürlich auch den Singles einen schönen Valentinstag 2020.

Screenshot AfD Elmshorn Valentinstag

Gerade in Elmshorn gelingt die Integration wirklich ziemlich gut!

Derartige Aussagen sind einfach unerträglich. Und zwar zum einen, weil gerade in Elmshorn die Integration von Flüchtlingen seit Jahren ziemlich reibungslos und erfolgreich verläuft – was der umsichtigen Politik im Elmshorner Rathaus ebenso wie dem ehrenamtlichen Engagement des Willkommensteams zu verdanken ist. Schon im Frühjahr 2016, als angesichts der hohen Flüchtlingszahlen viel eher mal etwas drunter und drüber ging als heute, gab es von der hiesigen Polizei klare Entwarnung: Flüchtlinge im Kreis Pinneberg sind polizeilich völlig unauffällig. Ich bin Mitglied in diversen Elmshorn-Gruppen auf Facebook und lese da regelmäßig Fragen, in welchen Elmshorner Geschäften man dieses oder jenes am besten kaufen könnte. Nach Pfefferspray oder „Antivergewaltigungs-Hosen“ (was in aller Welt soll das sein?) habe ich noch keine Frau fragen sehen. Und wer wann wo über die Sicherheit von Frauen und Mädchen verhandeln wollte, ist mir ohnehin ein Rätsel.

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut

Gleichzeitig sind diese kruden Aussagen der AfD Elmshorn und mithin ihres Vorsitzenden Holstein aber völlig unvereinbar mit dem Wertekanon des EMTV. Und deshalb befürworte ich die Entscheidung des EMTV ausdrücklich. Dass die Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist, muss man mir als Journalistin übrigens nicht erklären, auf ihr beruht meine tägliche Arbeit (auch meine Hobbyschreiberei auf diesem Blog). Natürlich steht es jedem Menschen in diesem Land frei, sich politisch zu engagieren. Solange eine Partei nicht verboten ist, darf auch niemandem ein Nachteil dadurch entstehen, wenn er in ihr Mitglied ist. Das ist ein hohes Gut, das ich selbstverständlich auch für Andersdenkende verteidige.

Spalterische Hetze schadet dem friedlichen Miteinander im Verein

Doch als angehender Sport- und Fitnesskaufmann in einem weltoffenen Sportverein muss man vorurteilsfreien Kontakt zu allen Mitgliedern pflegen können – auch zu denen, die in einem anderen Land als Deutschland geboren wurden, eine andere Muttersprache sprechen oder einer anderen Religion angehören. Wer dann pauschal von hunderttausenden Männern schwafelt, die „mit mittelalterlichem Macho-Selbstverständnis Frauen als Freiwild ansehen“ und von Schwimmbädern, aus denen Asylbewerber ausgesperrt werden, „weil diese sich nicht zu benehmen wissen“ (mir ist aus Elmshorn kein einziger solcher Fall bekannt), der kann diesem Anspruch wohl kaum gerecht werden. Mehr noch: Er schadet mit seiner spalterischen Hetze massiv dem Ansehen des EMTV in der Öffentlichkeit und dem friedlichen Miteinander der Mitglieder. Wird ein junger Mann aus Syrien sich noch in die EMTV-Geschäftsstelle wagen um eine Vereinsmitgliedschaft zu beantragen, wenn er weiß, dass er dort unter Umständen von dem Sport- und Fitnesskaufmann und AfD-Mann Maximilian Holstein empfangen wird, der sich öffentlich so über Menschen wie ihn äußert?

Elmshorn zeigt der AfD die rote Karte!

Seit dem rechtsextremistischen Terrorakt in Hanau vor zwei Tagen wissen wir außerdem auch, zu welchen Taten derartige Hetzparolen psychisch labile Idioten anstiften können. Und genau deshalb bin ich froh, dass der EMTV Maximilian Holstein die rote Karte gezeigt hat. Für die (vermutlich) anstehende Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht wünsche ich dem Verein viel Erfolg. Ich bin aber auch froh, dass die AfD in Elmshorn bislang nicht viele Fans zu haben scheint. Auf Facebook hat der Ortsverein bislang lediglich 18 Fans. Die meisten Einträge haben nur ein „Like“ – vom Seitenbetreiber selbst. Zu einer spontanen Kundgebung auf dem Holstenplatz am 10. Februar 2020, bei der gegen die Gründung des AfD-Ortsvereins protestiert wurde, kamen nach meiner Schätzung 200 Menschen. Mein Foto von der Kundgebung bekam auf Instagram 74 und auf Facebook 42 Likes – und etliche Leute schrieben, sie wären auch gekommen, wenn sie früher von der Aktion erfahren hätten. Danke, Elmshorn! Und bitte weiter so!

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4 Kommentare zu “Warum ich die Kündigung des Elmshorner AfD-Vorsitzenden durch den EMTV genau richtig finde

  1. Kann ich alles so unterschreiben. Ergänzend: ein Verein kann wirre Einzelmitglieder verkraften. Das wird durch Gruppen und fähige Übungsleiter in der Regel gut aufgefangen. Anders ist es, wenn jemand ein Funktionsträger ist. Das macht die Meinung nicht mehr privat. Man stelle sich vor: dieser Mensch, ein Wirrkopf und Idiot vor dem Herrn, leitet Gruppen mit Jugendlichen, mit Kindern. Er müsste Umgehen mit Geflüchteten, mit Kindern und Eltern, mit muslimischen Mitbürgern. Kaum vorstellbar bei dem Sendungsbewusstsein neurechter Aktivisten.

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  2. Pingback: Mein Elmshorner Jahresrückblick 2020 | Elmshorn für Anfänger

  3. Gut, dass es deutsche Gerichte gibt die das anders sehen. Schade, dass es nicht mehr junge Menschen wie Maximilian Holstein gibt, die ihre politische „Neigung“ offen und gewaltfrei ausleben. Eine andere Meinung gehört auch zu unserer Demokratie, wer sie nicht aushalten kann hat aus der Vergangenheit nichts gelehrnt! Damals haben bedauerlicherweise die Sozialisten (Nationalsozialisten) die Kommunisten in die KZ gesperrt- nun wollen die Sozialisten die Bürgerlichen mundtot machen.

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    • Der „Flügel“ der AfD, zu dem sich Maximilian Holstein öffentlich bekannt hat, ist noch weniger bürgerlich als die gesamte AfD, die in Gänze mittlerweile vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Das ist etwas anderes als einfach nur eine „andere Meinung“… meine Einschätzung hat sich durch das Urteil nicht geändert.

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