Elmshorn für Anfänger

Geschichten von einer, die auszog, im Hamburger Speckgürtel zu leben. Eine pragmatische Liebeserklärung.

Nacht der Gix 2016: Worauf es mir bei einem Live-Konzert ankommt

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Wer in Elmshorn wohnt und gern auf Livekonzerte geht, hat meist nicht viel Auswahl. Zumindest, wenn er gern zu Fuß zur Location und auch wieder zurück gehen würde. Hamburg mit seinem riesigen Musikangebot ist einfach zu nah. Umso mehr freut es mich, wenn mit einem Event wie der gestrigen Nacht der Gix („das Musik- und Kulturfestival, zeitweise etabliert seit 1996“) mal wieder ein bunter Mix musikalischer Appetithäppchen quasi direkt vor meiner Haustür ansteht.

Es gab mit Jim Coffey und Apollo zwar nur zwei Event-Locations, aber dafür beide nur 5 Minuten zu Fuß voneinander entfernt. Und hey, zu viel Auswahl macht einen ohnehin nur wuschig. Da ich keine der 9 Bands kannte, die dort auftreten sollten, war die Planung des Abends eigentlich eher ein Lotteriespiel. Umso mehr freue ich mich, dass wir als erstes Jim Coffey mit dem Gig von Sarajane ansteuerten. Was für eine tolle Entdeckung! Auch wenn ich nicht zu den Leuten gehöre, die jede Woche auf Konzerte gehen und die Wochenenden in Clubs verbringen – diese coole Sängerin werde ich auf jeden Fall im Auge behalten.

Sarajane hatte Riesenspaß an ihrem Auftritt – und das ist einfach ansteckend

Ihr Auftritt zeigte mir vor allem deutlich, worauf es für mich bei einem Livekonzert ankommt: Ich bin Publikum, und ich will von der Band angesprochen und gut unterhalten werden. Das ist leider etwas, das nicht allen Bands gelingt, wie uns alle Gigs nach Sarajane zeigten (wir lauschten jeweils noch ein Weilchen Rise of the Ziggurat im Jim Coffey, Jan Pape im Apollo und Emaline Delapaix im Jim Coffey). Sarajane überzeugte mich nicht nur durch ihre großartige Stimme und eingängigen Songs, sondern auch durch ihre irre Bühnenpräsenz. Sie hatte sichtlich einen Riesenspaß daran, auf der Bühne zu stehen und für uns Musik zu machen, lachte und strahlte ungeheure Energie aus – und so ein Spaß ist ganz einfach ansteckend. Weil Jim Coffey im normalen Leben nun mal ein Café ist, hing zum Beispiel eine Deckenleuchte relativ tief über der Bühne, nur ein kleines Stück über Sarajanes Kopf. Immer wieder witzelte sie, diese flache Deckenleuchte mit ihren kleinen Strahlern erinnere sie an eine Flugzeugkabine, wo man über dem Kopf Licht und Ventilator einstellen oder nach der Stewardess rufen kann. „Hello, flight attendant, this vent seems to be broken, it’s not working!“ Dazu eine manchmal ziemlich dreckige Lache, weil sie ihren eigenen Witz so lustig fand. Draußen war es noch nicht einmal richtig dunkel geworden, da brachte Sarajane den kleinen Saal schon zum Kochen. (Wie man auf Sarajanes Homepage nachlesen kann, hat das Hamburger Abendblatt über sie mal geschrieben: „Was für eine Stimme! Eigentlich bräuchte sie kein Mikro, sie setzt sich auch so durch. Sie könnte mir ihren Vorfahren in England sprechen, ohne zu telefonieren. Wow.“ Yep, ich finde das sehr treffend ausgedrückt.) Nach ein paar fetzigen Stücken hatte sie nicht das geringste Problem, das Publikum zum Mitklatschen und anderen kleinen Dressuren (für die ich normalerweise bei Konzerten nicht so viel übrig habe) zu bewegen. Leider spielte sie nur 45 Minuten lang – von mir aus hätte es den ganzen Abend gern mit dieser coolen Rampensau und ihren groovigen Soul- und Rocknummern weitergehen können.

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Sarajane bei Jim Coffey: Es ist noch nicht ganz dunkel, da tobt schon der Saal…

Sarajane erinnert mich an meine Schwester Caro von Box in the Attic

A propos Rampensau: Mich erinnerten diese unbändige Energie und diese Wahnsinns-Bühnenpräsenz (und sogar ein ganz kleines bisschen auch die Stimme) sehr an meine Schwester Caro, die seit ein paar Jahren im Münsterland und Umgebung mit ihre Band Box in the Attic auftritt und im Dezember 2015 ihr zweites Album herausgebracht hat. Auch Caro und ihren Jungs an Gitarre, Bass, Drums und Saxophon merkt man auf der Bühne in jeder Sekunde an (auf Youtube gibt es paar Mitschnitte von ihrem Album-Release-Konzert am 19.12.16 in Münster, „Curtain“ oder „Just Love“ oder „All I need“), was für einen Riesenspaß sie an ihrer Musik haben – und daran, ihre funky funky Musik vor einem Haufen netter Leute zum besten zu geben. Seither lässt mich ein fixer Gedanke nicht los: Was wäre, wenn man Caro und Sarajane mal gemeinsam auf ein Publikum loslassen würde? Lässt sich so etwas nicht irgendwie einmal einfädeln? Ich habe keine Erfahrung im Musikverkuppeln: Wie stellt man so etwas an?

Ein Gewächs der Uetersener Musikszene kommt aufs Land nach Elmshorn?

Ich gebe zu, nach diesem Auftakt mit Sarajane hing die Messlatte gestern Abend ziemlich hoch, da hatten die folgenden Bands einen eher schweren Stand. Dass mich keine mehr so richtig begeistern konnte, lag aber auch nicht nur an meiner Erwartungshaltung. Der Sänger/Songwriter Rise of the Ziggurat sang zwar schöne, gefühlvolle Balladen. Dabei war er aber völlig in sich versunken und kommunizierte überhaupt nicht mit uns im Publikum. Irgendwann hatten wir das Gefühl, dass es für ihn vielleicht gar keinen Unterschied macht, ob wir bleiben oder gehen. Und dann gingen wir eben, um mal die Lage im Apollo zu checken. Dort dudelte schon die Deutschrock-Band Jan Pape mit ihrem Soundcheck herum. Das Publikum hielt sich in dem langgezogenen ehemaligen Kinosaal eher im Hintergrund. Nur wenige mochten die gelb-schwarze Markierung Richtung Bühne übertreten, obwohl die eigentlich nur vor einer kleinen Stufe warnen soll. Unvermittelt ging der Gig dann los mit „Alles ist Pop“ und der unmissverständlichen Aufforderung, jetzt ganz doll mitzuklatschen – man hatte fast den Eindruck, Jan Pape wolle direkt vom Soundcheck zum Stagediving übergehen. Mal ehrlich – so funktioniert das doch nicht! (Gut, dass er das nicht versucht hat, er wäre allein auf den nackten Betonboden vor der Bühne gepurzelt, weil dort einfach niemand stand.) Also ich für meinen Teil mag lieber erst einmal von der Musik in Stimmung gebracht werden, bevor ich wild mitklatsche. Ich mag es auch gern, wenn sich die Band mal kurz vorstellt – gerade bei einem Event mit so vielen verschiedenen Künstlern. Diese Ansage kam nach dem zweiten Stück oder so: „Dass ich Jan Pape bin, habt ihr ja schon im Programm gelesen.“ Hmm, das geht aber auch besser. Auch bei den folgenden Stücken wollte der Funke nicht so recht überspringen. Etwas eigenartig fand ich dann seine Anmoderation des Stücks „Aufs Land“, von dem er meinte, das sei bei einem Auftritt im ländlichen Elmshorn doch ganz passend (Man bedenke: Jan Pape gilt laut Hamburger Abendblatt als „das wohl erfolgreichste Gewächs der Uetersener Musikszene“. Da kommt also einer aus Uetersen zu einem Konzert nach Elmshorn und meint, er geht heute mal ‚aufs Land’?) Das wollte mir partout nicht in den Schädel gehen.

Umfangreiche Tonproben vor jedem Stück von Emaline Delapaix

Also zurück zu Jim Coffey, wo sich Emaline Delapaix auf ihren Auftritt vorbereitete. Die Sängerin/Songwriterin stammt aus Australien und lebt nach Stationen in Kanada und einem Wohnwagen in Mecklenburg-Vorpommern nahe der polnischen Grenze nun in Berlin. Leider zog sich die Vorbereitung ziemlich in die Länge – „Ich habe kein Signal auf dem Monitor“, „Ich höre das Klavier nicht!“ oder „Bitte mehr auf der Akustikgitarre“ und noch viel mehr von diesem für Laien unverständlichen Gequatsche zwischen Band und Tontechnik, das halt zu einem Konzert gehört. Nur dass es bei Emaline Delapaix kein Ende nahm. Auch als sie längst zu singen begonnen hatte (sie hat übrigens eine fabelhafte, kraftvolle und zugleich elfengleiche Stimme und singt schöne und gefühlvolle Songs, die mir durchaus gefielen), war sie mit der Technik noch nicht zufrieden und bat den armen Tontechniker Markus zwischendurch immer wieder, hier noch ein Knöpfchen zu drehen oder dort etwas anders auszusteuern. Weil sie immer wieder zwischen Gitarre und Piano wechselte, waren also eigentlich vor jedem Stück umfangreiche neue Tonproben fällig. Das bereitet einem Publikum nur mäßiges Vergnügen. Für Emaline Delapaix schien aber nur ihre Musik zu zählen: Sie begrüßte die Zuhörer nur beiläufig, während sie ihre Gitarre stimmte, ohne jeglichen Blickkontakt. Ich stand ganz vorn und konnte ihre Mimik beim Singen und Spielen beobachten. Wann immer etwas für ihr Empfinden richtig gut gelungen war, huschte ein zartes Lächeln über ihr Gesicht. Aber bei allem, was ihr irgendwie nicht so recht gefiel, zog sie kritisch eine Augenbraue hoch. Was immer sie tat, war sie vor allem mit sich selbst beschäftigt und trat überhaupt nicht mit dem Publikum in Kontakt. Das fanden wir nach einer Weile dann doch etwas ermüdend und beschlossen, unsere Nacht der Gix damit zu beenden. Wie gesagt: Ich bin Publikum, und ich will von der Band angesprochen und gut unterhalten werden.

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Emaline Delapaix im Jim Coffey: Immer wieder Probleme mit der Technik

Nichtsdestotrotz: Allein dafür, dass wir auf Sarajane aufmerksam geworden sind, hat sich dieser Abend für uns voll und ganz gelohnt.

7 Kommentare zu “Nacht der Gix 2016: Worauf es mir bei einem Live-Konzert ankommt

  1. Interesting write up. Thanks for coming out to support Nacht der Gix 2016! 🙂

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  4. Sarah Jane und Emalin waren großartig!

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