Vor ein paar Tagen standen morgens auf einmal zwei große blaue Ikea-Taschen voller Kleidung vor meiner Haustür. Einfach kommentarlos abgestellt, ohne dass jemand geklingelt hätte. Sicher gut gemeint, aber trotzdem ziemlich befremdlich, finde ich.
Vor ein paar Wochen – genauer gesagt am 22. Oktober 2015 – bin ich zur neuen Vorsitzenden des Willkommensteams für Flüchtlinge Elmshorn e. V. gewählt worden. Ich hatte an dieser Stelle ja schon mehrfach über unser Team und seine verschiedenen Aktionen berichtet. Nun scheinen viele Menschen mit dem Stichwort „Flüchtlingshilfe“ vor allem das Ausmisten ihrer Kleiderschränke zu verbinden: „Die Flüchtlinge brauchen ja was zum Anziehen – und in meinem Schrank wollte ich sowieso längst mal Platz für neue Käufe schaffen!“ So in etwa scheinen die Gedankengänge bei vielen abzulaufen. Es stimmt natürlich: Die Flüchtlinge brauchen Kleidung, gar keine Frage. Am Hamburger Hauptbahnhof sieht man nicht selten gestrandete Flüchtlinge ganz ohne Schuhe herumlaufen, und das bei den aktuellen Temperaturen. Hier muss geholfen werden, und dafür braucht es Spenden aus der Bevölkerung.
Wer stellt einfach Kleidertüten vor meiner Haustür ab? Ein entfernter Nachbar?
Doch diese Spenden sind bitte nicht kommentarlos einfach vor meiner privaten Haustür abzustellen, ohne zu klingeln und zu fragen, ob und wo sie benötigt werden. Ich vermute einmal, da hat jemand aus meiner entfernteren Nachbarschaft, der mein Gesicht vom stummen Nicken im Vorbeigehen kennt, mein Bild in der Zeitung gesehen. Schließlich hatten mehrere Zeitungen über die Nachwahl in unserem Vorstand berichtet. Warum dieser Jemand daraus aber geschlossen hat, dass man deshalb nun seine Kleiderspenden einfach unangekündigt und kommentarlos vor meiner Haustür abstellen kann, erschließt sich mir nicht. Es steckt sicher nur gute Absicht dahinter, doch in einem kurzen persönlichen Gespräch hätte derjenige von mir schnell erfahren können, dass die Kleiderspenden bei mir an der falschen Adresse sind.
Das Willkommensteam hat keine Lagermöglichkeiten für Sachspenden!
Denn das Willkommensteam für Flüchtlinge Elmshorn hat sich eine andere Art der Hilfe zur Aufgabe gemacht. Wir begleiten Flüchtlinge in ihrem Alltag und helfen ihnen dabei, einen Zugang zu unserer Gesellschaft zu finden. Das kann im Einzelfall bedeuten, dass wir sie zu Ämtern oder zum Arzt begleiten. Dass wir ihre Kinder in Schule oder Kindergarten anmelden und mit Lehrern und Erzieherinnen sprechen. Dass wir mit ihnen Deutsch üben oder einfach Zeit mit ihnen verbringen und uns für ihr Leben in ihrer Heimat und hier in Deutschland interessieren. Wir nehmen keine Sachspenden wie Kleidung, Hausrat oder Möbel an. Denn wir haben keine Lagermöglichkeiten für die vielen Dinge, die – da bin ich ganz sicher – binnen kürzester Zeit zusammenkommen würden. Unser Verein hat ein kleines Büro, das er sich mit etlichen anderen Organisationen und Vereinen teilt und nur stundenweise nutzen kann. Eine eigene Kleiderkammer würde aber nicht nur einen eigenen, ausreichend großen Raum erfordern. Es müssten auch Menschen da sein, die zu festen Zeiten Kleiderspenden annehmen, die Kleidung sortieren und zu festen Zeiten an Flüchtlinge ausgeben. Hierfür haben wir keine Leute, denn unsere Begleiter kümmern sich in anderer Weise um Flüchtlinge.
Es gibt bereits viele Kleiderkammern in Elmshorn und Umgebung
Wir haben innerhalb unseres Teams auch vor geraumer Zeit beschlossen, dass wir es nicht anstreben, längerfristig eine eigene Kleiderkammer einzurichten. Warum? Weil es bereits Kleiderkammern in Elmshorn gibt! Wer ganz explizit – aus welchen Gründen auch immer – nur an Flüchtlinge spenden möchte, der kann sich auch an die ganz neu gegründete Initiative „Glückstadt hilft“ wenden, von der ich erst vorgestern erfahren habe. Wo man überall Kleider- und andere Sachspenden für Flüchtlinge und andere Bedürftige abgeben kann, haben wir auf der Internetseite des Willkommensteams zusammengefasst. Wir glauben nicht, dass es sinnvoll ist, hier Parallelstrukturen aufzubauen, sondern wollen unsere Kapazitäten lieber dafür nutzen, wofür wir uns gegründet haben: die persönliche Begleitung von Flüchtlingen. Deshalb verweisen wir alle spendewilligen Elmshornerinnen und Elmshorner immer an diese anderen Istitutionen.
Genau das hätte ich dem unbekannten Spender, der zwei Ikea-Tüten voller Kleidung vor meiner Haustür abgestellt hat, auch gern erklärt. Allerdings habe ich leider keine Ahnung, wem die Spenden gehörten. Es blieb mir (bzw. meinem Mann) nichts anderes übrig, als sie selbst abends nach Feierabend zum Kleidercontainer des Sozialkaufhauses zu fahren. Und mich darüber zu ärgern, warum dieser Jemand nicht einmal ein ganz schlichtes kurzes Gespräch mit mir gesucht und diesen Job dann selbst erledigt hat.