Zum Glück müssen weder mein Mann, noch ich beruflich derzeit jeden Tag nach Hamburg fahren. Unsere Pendel-Abenteuer betreffen in der Regel „nur“ Freizeitaktivitäten. Doch auch da ist es einfach super ärgerlich, wenn man wegen Zugausfall oder -verspätung zum Beispiel zu spät zur Theateraufführung kommt.
Wer ein Ticket für eine Aufführung im Hamburger Schauspielhaus kauft, kann für die Anfahrt ohne weitere Kosten den HVV nutzen – im Gesamtbereich, also auch von Elmshorn aus. Das ist ein ziemlich fairer Deal, wenn man bedenkt, dass die Fahrt zu zweit nach Hamburg und zurück mit einem HVV-Gruppenticket mit knapp 20 Euro zu Buche schlägt. Blöd allerdings, wenn der Zug nicht fährt, den man sich für die Fahrt ins Theater ausgeguckt hat.
So erging es uns am Montag. Ich hatte im Hamburger Abendblatt vom Poetry Slam „Kampf der Künste“ gelesen, der am Abend im Schauspielhaus stattfinden sollte. Es gab noch Karten. Kurze Mail an meinen Göttergatten: „Klingt doch cool, hast du Lust?“ Ja, er hatte Lust. Ich besorgte Karten, wir recherchierten Zugverbindungen. Denn zum Glück war im Ticketpreis wie immer die Fahrt mit dem HVV im Großbereich bereits enthalten. Das spart Abgase, Spritkosten, nervige Parkplatzsuche rund um den Hamburger Hauptbahnhof und hohe Parkgebühren. Und für das eingesparte Geld kann man je nach Lust und Laune auch noch einen Prosecco im Foyer schlürfen. Fein!
Eine Regionalbahn und ein gestrandeter Intercity
Um ausreichend Zeitpuffer zu haben, wollten wir den Regionalexpress um 18:49 Uhr ab Elmshorn nehmen. Wir spazierten los, trafen rechtzeitig am Bahnhof ein. Dort erwarteten uns: eine Regionalbahn, die laut Anzeigetafel am Bahnsteig nach Itzehoe fahren sollte, an deren Waggons aber Hamburg als nächstes Reiseziel angegeben war. Außerdem ein gestrandeter Intercity, der normalerweise vermutlich nicht in Elmshorn gehalten hätte. In der Bahn-App war der Zug nach Itzehoe bzw. Hamburg überhaupt aufgeführt, es gab auch keine Informationen über Verspätungen oder Zugausfälle.
Wer weiß was? Anzeigetafel? Bahnsteigdurchsage? App?
Am Bahnsteig ertönte dann irgendwann die Lautsprecherdurchsage, es gebe einen Böschungsbrand auf der Strecke nach Hamburg, deshalb führen erstmal keine Züge. Es sei unklar, wann es weitergeht. Der Zugführer der Nordbahn, der gemütlich aus dem Fenster lehnte, berichtete uns, sein nächstes Fahrziel sei Hamburg – auch wenn die Anzeigetafel Itzehoe anzeigte. Als nächstes kam die Durchsage, die Zugführerin des Intercity habe zugesagt, alle Reisenden nach Hamburg in ihrem Zug mitzunehmen – wenn auch ohne Zwischenhalte in Tornesch oder Prisdorf. Wann sie würde starten können, war allerdings ebenfalls nicht abzusehen. Die App war noch immer keine Hilfe. Wie so oft stellte sich die Frage, wo man eigentlich die aktuelleren Informationen erhält: Vom Bahnhofspersonal (sofern man tatsächlich einen leibhaftigen Bahnmenschen auftreiben kann) und seinen Durchsagen, in der App, von den Anzeigetafeln am Bahnsteig oder von den Zugführern? Mein Eindruck ist, dass das bei der Deutschen Bahn niemand wirklich beantworten kann, weil alle sich irgendwie durchwurschteln. Trotz Digitalisierung und so.
Beim Poetry Slam wird man noch nach Beginn der Vorstellung reingelassen
Doch zurück zu unserem Theaterabend. Wir schauten uns an. Seufzten und stratzten schnellstmöglich wieder anderthalb Kilometer zurück nach Hause. Stiegen ins Auto, gurkten nach Hamburg, schielten immer wieder nervös auf die Uhr, verfuhren für ca. 10 Euro Sprit, parkten unser Auto für 7,50 Euro im Parkhaus am Hauptbahnhof, flitzten ins Schauspielhaus und wurden zum Glück kurz nach offiziellem Beginn der Vorstellung noch von der Platzanweiserin zu unserem Rang geleitet. „Bei Theaterstücken lassen wir Zuspätkommer nicht immer rein, weil das stören würde, doch beim Poetry Slam ist das schon okay“, sagte sie uns.
Immer mehr Böschungsbrände entlang der Bahnstrecken
Der Poetry Slam war dann super, wir haben den Abend nicht bereut. Doch der Zirkus mit der Anfahrt hätte nun wirklich nicht sein müssen. Klar, die Bahn kann wohl kaum durch ein plötzlich aufgelammtes Feuer hindurchfahren. Feuer gilt als höhere Gewalt. Oft sind die Brandauslöser achtlos weggeworfene Kippen oder Glasscherben, die an der Böschung wie ein Brennglas wirken. Oder auch Funkenflug von den Bremsen der Züge. Eine ganz kurze Google-Suche zeigt, dass alle Naslang Böschungsbrände zu Zugausfällen führen: an der ICE-Strecke Köln-Frankfurt im Sommer 2018 etwa, oder im Mai 2018 in Bremen, im ersten Halbjahr 2018 aufgrund der Trockenheit sogar mehr als im gesamten Vorjahr.
Sind Böschungsbrände höhere Gewalt oder Fahrlässigkeit?
Trotzdem möchte ich zu bedenken geben, dass ein Böschungsbrand doch eigentlich nur dann entstehen kann, wenn entlang des Bahndamms zu selten (oder gar nicht?) mal Büsche und Bäume zurückgeschnitten werden. Weil die Deutsche Bahn eben trotz hoher Ticketpreise an allen Ecken und Enden spart, ihre Infrastruktur verkommen lässt. Und das ist dann in meinen Augen eben doch nicht höhere Gewalt, sondern Fahrlässigkeit. Aber mit solchen spitzfindigen Definitionsfragen müssen sich im Zweifelsfall vermutlich Heerscharen von Anwälten herumärgern… Ach übrigens, ganz aktuell heute kursiert eine Meldung, wonach das EU-Parlament darüber berät, ob Fahrgäste der Bahn bei Fällen „höherer Gewalt“ wie Unwetter oder anderen Naturkatastrophen keinen Anspruch auf Entschädigung mehr haben sollen.
Nun, für den entgangenen Theaterspaß durch einen Zugausfall wegen Böschungsbrand hätte uns die Bahn so oder so nicht entschädigt. Ärgerlich finde ich es trotzdem. Und fühle mit all denen, die tagtäglich für ihren Job darauf angewiesen sind, dass die Züge verlässlich fahren.
6. Juni 2019 um 17:27
Antje, das hast du schon beschrieben. Ich halte mich ja auch beruflich häufig in HH auf und ich würde mich niemals auf die Zugverbindung von Elmshorn aus verlassen. Wenn überhaupt fahre ich mit dem Auto bis Thesdorf, nutze dort den Park&Ride und fahre dann mit der S-Bahn nach Hamburg rein. Schön das ihr euren Theaterabend trotzdem noch genießen konntet. LG Andrea von nebenan
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