Elmshorn für Anfänger

Geschichten von einer, die auszog, im Hamburger Speckgürtel zu leben. Eine pragmatische Liebeserklärung.

Unterwegs auf der Elmshorner Veloroute 1: Das soll allen Ernstes eine Strecke für Radfahrer sein?

7 Kommentare

Zugegeben: Mein Plan, das Elmshorner Velorouten-Netz zu testen, ist nicht mehr ganz taufrisch. Als die Stadt Elmshorn im Februar 2017 das Velorouten-Konzept nebst eigenem Fahrradstadtplan vorstellte, kam mir gleich die Idee, die darin verzeichneten Velorouten einmal auf Herz und Nieren zu testen. Jetzt, gut anderthalb Jahre später, haben mein Mann und ich den ersten Versuch gewagt, sind einmal die Veloroute 1 vom Start bis zum Ende durchgeradelt und haben unsere Eindrücke gesammelt.

Allerdings haben wir im Vergleich zur Stadt Elmshorn bei der Umsetzung unseres Plans doch ein recht zügiges Tempo vorgelegt. Die Stadtverwaltung arbeitet nach eigenem Bekunden nämlich bereits seit Mitte der 1990er Jahre daran, „den Radverkehr noch attraktiver zu gestalten. Dafür soll das Radwegenetz durchgängig komfortabel befahrbar und sicher werden. Der Rahmen für diese Maßnahmen ist das 2010 aktualisierte Veloroutenkonzept“, in voller Länge hier nachzulesen.

Neue Radwegabschnitte in Elmshorn: Hat das alles Sinn und Verstand?

Ganz ehrlich: Dafür, dass schon so lange an Verbesserungen für Radfahrer in Elmshorn gearbeitet wird, finde ich das Ergebnis bislang extrem bescheiden. Und so beschlich mich bereits im Februar 2017 der Verdacht, dass die Veröffentlichung des Fahrradstadtplans vor allem PR-strategische Gründe hatte: „Seht her, hier passiert etwas für Radfahrer!“ Auch Autofahrern wird aufgefallen sein, dass an ein paar Stellen der Stadt tatsächlich neue Radwegabschnitte eingerichtet worden sind. Doch hat das alles Sinn und Verstand? Helfen das Velorouten-Konzept und die einzelnen Radwegabschnitte tatsächlich den Menschen, die sich in Elmshorn mit dem Fahrrad von A nach B bewegen?

Eine Serie im Hamburger Abendblatt gab uns den Anstoß zum ersten Test

Auch Hamburg schmückt sich seit einer Weile mit einem seit Jahrzehnten geplanten Velourouten-Netz. In den vergangenen Monaten haben Journalisten des Hamburger Abendblatts die einzelnen Routen dieses Netzes einmal dem Praxistest unterzogen und sind dabei ganz überwiegend zu einem vernichtenden Urteil gekommen. Diese zwölfteilige Serie im Abendblatt gab für uns letztlich den Ausschlag, das Velorouten-Netz in Elmshorn auch einmal abzufahren und dabei zu bewerten, wie sicher, schnell und angenehm man auf den Strecken mit dem Fahrrad vorankommt.

Was ist eigentlich eine Veloroute? Das sagt die Wikipedia dazu…

Denn „sicher, schnell und angenehm“ ist das entscheidende Qualitätskriterium einer Veloroute, wie man in der Wikipedia nachlesen kann: „Als Veloroute werden zumeist innerstädtische Radrouten bezeichnet. Sie verzahnen sich in vielen Städten zu einem gut ausgeschilderten Wegenetz für den unmotorisierten Verkehr. […] Velorouten in Städten und Ballungsräumen dienen im Unterschied zu Radwanderwegen vorrangig dem Alltagsverkehr.[…] Auf Velorouten sollte Radfahren sicher, schnell und angenehm sein. So sollten die benutzten Wege idealerweise mit maschinengefertigtem Asphalt versehen sein“. Außerdem werden die direkte Linienführung, ausreichende Breite zum gegenseitigen Überholen, kurze Rotphasen an signalgeregelten Kreuzungen, grüne Wellen für den Radverkehr, Querungshilfen in Form von Mittelinseln statt „Fußgängerampeln“, Vorfahrt der Radfahrer auf der Veloroute als Hauptroute des städtischen Verkehrs und die niveaufreie Führung an Kreuzungen von Hauptverkehrsstraßen und Schienenbahnen als Kriterien genannt. Damit hat man für den Test einer ausgewiesenen Veloroute ja eine ganz ordentliche Checkliste an der Hand.

Erstes Problem: Wie bekomme ich das Kartenmaterial auf’s Rad?

Erster Schritt unserer Aktion: Wir brauchen das Kartenmaterial. Die Stadt Elmshorn bietet auf ihrer Internetseite eine PDF-Version des Velorouten-Netzes an, die man sich herunterladen kann. Eine mobile Version für’s Smartphone gibt es leider nicht, geschweige denn von einer App, die einem den Streckenverlauf einzelner Velorouten abschnittweise anzeigt. Wenn man 2017 also nicht einen der gedruckten Faltpläne ergattert hat (wir haben nicht gecheckt, ob man sich die immer noch im Rathaus abholen kann), bleibt einem eigentlich nur die Option, die PDF-Karte aus dem Internet herunterzuladen, auszudrucken und in Papierform mitzunehmen. Dadurch ist die Karte aber derart verkleinert, dass man sie nicht wirklich nutzen kann. Zum Glück hat mein Mann Christoph sich während seines Studiums in Hannover mit Taxifahren über Wasser gehalten und kann sich nach einem Blick auf die Karte Straßennamen und Streckenverläufe sehr gut einprägen. Auch sonst kann er sich (im krassen Gegensatz zu mir) hervorragend in freier Wildbahn orientieren und navigieren. Zusammen mit dem Miniatur-Ausdruck sind wir dann also doch gut gerüstet. Ohnehin erwarten wir, dass die Veloroute 1, die im Faltplan als rote Strecke mit der Bezeichnung VR1 eingezeichnet ist, auch entlang der Strecke irgendwie mit einer solchen Markierung gekennzeichnet ist.

Los geht’s an der Papenhöhe, Ecke Gerlingsweg

Die VR1 soll laut Legende des Faltplans von Kiebitzreihe bis Klein Nordende führen. Start ist aber dennoch erst an der Papenhöhe, Ecke Gerlingsweg – dort, wo das Restaurant „Zum Pfahlkrug“ zu finden ist. Wir radeln hin und suchen vergeblich nach einem Schild oder anderweitigen Hinweis, dass hier Startpunkt der VR1 ist. Hier steht lediglich ein Hinweisschild, dass es hier überhaupt einen Radweg Richtung Elmshorn gibt – er führt für den ersten Abschnitt am Restaurant vorbei über den Gehweg, man muss ihn sich also mit Fußgängern teilen.

Nächster Abschnitt ist ein miserabler, nicht benutzungspflichtiger Radweg

Der nächste Teilabschnitt ist leider nicht besser: Hier ist der Radweg in einem miserablen Zustand. Schlaglöcher, Bodenwellen, von Baumwurzeln aufgerissener Asphalt… Hier steht völlig zu Recht ein Schild mit dem Hinweis auf Radwegschäden – was im Übrigen bedeutet, dass dieser Radweg nicht benutzungspflichtig ist, auch wenn ungeduldige Autofahrer einem gern etwas anderes weismachen wollen und einen regelmäßig versuchen, mit der Hupe von der Straße auf einen solchen Radweg zu verscheuchen. Doch die Autofahrer sind auf dieser Strecke nicht im Vorteil: Hier prangt in unmittelbarer Nähe des Warnschilds für Radfahrer auch der Hinweis auf Straßenschäden. Wir holpern uns über den Radweg. Schnell und bequem kann man hier nicht unterwegs sein, wenn man noch intakte Nervenenden am Steiß- und Schambein hat.

Weiter geht es erstmal ohne Radweg auf der Straße

Die VR1 führt dann links weiter in den Kaltenhof, wieder ohne ein explizites Hinweisschild auf die Streckenführung. Nach dem Bahnübergang geht es links in die Rudolf-Diesel-Straße und von dort nach dem „Hotel Royal“ weiter in die Kirchenstraße, auch hier kann man sich höchstens an dem allgemeinen Schild „Radweg“ orientieren. Kaltenhof, Dieselstraße und Kirchenstraße haben alle drei keinen Radweg, sind aber als kleinere Gewerbe- und Wohnstraßen nicht besonders stark von Autos befahren. Wir radeln also auf der Straße.

Eine Veloroute, die durch die Fußgängerzone führt?

Der nächste Abschnitt der VR1 führt uns über die Schulstraße zur Königsstraße, bekanntlich eine Fußgängerzone. Und tatsächlich weist und ein Schild auf die nächste Streckenführung hin, verbunden mit dem Hinweis „Bitte absteigen“. Das irritiert mich ein wenig. Wieso hat man sich bloß dazu entschieden, eine Veloroute (zumindest teilweise) durch eine Fußgängerzone zu führen, wo sie doch eigentlich dem flüssigen und zügigen Vorankommen mit dem Fahrrad dienen soll? Da hätte es meiner Meinung nach sicherlich bessere Alternativen gegeben, für die man nicht vom Fahrrad absteigen muss. Nun gut, wir steigen brav ab, schieben unsere Räder durch die Fußgängerzone und versuchen auf Höhe der blauen Silos von Peter Kölln herauszufinden, wie die VR1 weitergeht. Viele Radweg-Schilder, aber keine klare Zuordnung der einzelnen Routen. Hier würde ich mir wirklich einen Hinweis auf die VR1 wünschen – am besten in Rot, wie sie auch im Plan eingezeichnet ist. So ein System ist einem ja von den U-Bahn-Netzen in Metropolen bestens vertraut, das würde man schnell und intuitiv kapieren. Nächster Minuspunkt: Die unübersichtliche Kreuzung am Buttermarkt kann man mit dem Rad (wie auch als Fußgänger) nur mit mehreren Bettelampeln überqueren. Übersichtlich, zügig und flüssig geht anders.

Keine Beschilderung, Kopfsteinpflaster und Straßenschäden

Vorbei am Buttermarkt führt die VR1 nun durch die Straße Vormstegen, die dank des Jahrhundertprojekts „Umbaus der Elmshorner Innenstadt“ auf lange Sicht Sanierungsgebiet und damit Baustelle sein wird. Nach der Kreuzung mit der Reichenstraße geht es weiter in die Ollnstraße. Hier hätten wir allerdings ohne unseren PDF-Stadtplan keine Chance, die Veloroute in irgendeiner Form zu identifizieren, denn es gibt nicht einmal ein gewöhnliches Hinweisschild auf einen Radweg. Die Ollnstraße dann  ist zum Radfahren denkbar ungeeignet: Ob der Gehweg rechts auch mit dem Fahrrad genutzt werden darf, ist unklar. Die Straße selbst hat erst Kopfsteinpflaster und dann eine von Schlaglöchern durchzogenen Asphaltdecke. „Autsch“, sagt mein Steiß.

Durch den Liether Forst auf Wegen, die eigentlich für Fußgänger gedacht sind

Wir sind nun am Liether Forst angekommen. Ab hier müssen wir uns tatsächlich ordnungswidrig verhalten, wenn wir der VR1 weiter folgen wollen. Denn die Veloroute führt mitten durch den Wald über Abschnitte, die eigentlich als Fußwege ausgewiesen und mit viel Sand und Wurzelwerk zum Radfahren auch kaum geeignet sind. Wenn sich der Weg gabelt, müssen wir uns auf Christophs hellseherischen Navigationssinn und unseren Papierausdruck verlassen, denn hier ist überhaupt kein Radweg mehr ausgeschildert – der eigentliche Radwanderweg durch den Liether Forst führt nämlich über eine andere Strecke als die VR1.

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Die VR1 kann mich nicht überzeugen, dass Elmshorn sich zur Fahrradstadt mausert

Wir durchqueren den Liether Forst und kommen auf Höhe des Elmshorner Wasserwerks an die Hauptstraße Köhnholz, die Richtung Klein Nordende führt. Hier stehen wir nun etwas verloren und unschlüssig herum. Das war sie also, die Elmshorner Veloroute 1. Den Aufbruch in ein neues Zeitalter der Fahrradmobilität hatten wir uns wirklich anders vorgestellt. Von übersichtlichem, schnellen und sicheren Radeln kann auf dieser Strecke beim besten Willen keine Rede sein. Zumindest die Veloroute 1 konnte mich nicht überzeugen, dass Elmshorn sich zur Fahrradstadt mausert.

Wir wollen in nächster Zeit auch die weiteren Velorouten einmal abfahren und Eindrücke sammeln. Wer uns dabei begleiten möchte, kann sich gern melden, dann vereinbaren wir einen Termin und machen das gemeinsam! 🙂

7 Kommentare zu “Unterwegs auf der Elmshorner Veloroute 1: Das soll allen Ernstes eine Strecke für Radfahrer sein?

  1. Tolle Idee.
    Bitte an die Presse weitergeben zur Veröffentlichung. Die müsste ja froh sein, zumal sie nicht selbst fahren muss.
    Bitte alle Routen abfahren.
    Weiterhin viel Spaß dabei.

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    • Möchte eine Ergänzung geben:
      Habe eine Original-Veloroutenkarte übrig und stelle sie euch gerne zur Verfügung.
      Bitte PN-Rückmail bei Bedarf.

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  2. Ihr sprecht mir aus dem Herzen! Hab ich auch schon mit Frau Unger drüber gesprochen, dass diese Strecke sich eigentlich nicht Veloroute nennnen darf! Für die Ollnsstraße hatten wir vor drei Monaten über ein Zusatzschild „Radfahrer frei“ gesprochen, das eigentlich problemlos anzubringen sein sollte, aber aus mir nicht erfindlichen Gründen noch nicht angebracht wurde. Die Leiterin des Amtes, das für Straßen und Schilder zuständig ist ( Nicht Frau Unger!), ist keine Radlerin…Die Zähigkeit, mit der in Elmshorn Verbesserungen für Radverkehr umgesetzt werden, ist etwas anstrengend und der Hauptgrund für mich gewesen, in die Politik einzusteigen! LG, Kirstin Schiebuhr

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  3. Das Ergebnis hat mich nicht überrascht. Natürlich ist Geld das eine, aber um das dann auch sinnvoll einzusetzen, sollte man sich erstmal ein tragfähiges Konzept überlegen.
    Eine Reise nach Kopenhagen, um ein in vielen Teilen gut umgesetztes Konzept selbst zu „erfahren“ ist sicher eine sinnvolle Investition.
    Ich würde bei einer weiteren Tour mitkommen.

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  4. Die Elmshorner Veloroute, due überzeugen kann, muss erst gebaut werden, oder besser, erstmal ersonnen werden. Schon das Konzept ust für die Tonne.

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